piwik no script img

Ein Hund namens Jodl

documenta 14 Piotr Uklański hat aus Anlass der Documenta 14 „The Nazis“ um das Folgeprojekt „Real Nazis“ erweitert. Die Sammlung hat ihre Tücken. Doch das gehört wohl zum Konzept

Piotr Uklański, „Real Nazis: Rudolf Flinzer (1889–1976), Oberstleutnant, Foto Walter Frentz“ Foto: Aus dem besprochenen Band

von Brigitte Werneburg

„Real Nazis“ ist das Folgeprojekt von „The Nazis“, Piotr Uklańskis 1999 sowohl als Bildband erschienener wie als Ausstellung gezeigter Bildersammlung von Nazi-Darstellern im Kino. Während man damals die Macht der Verkleidung vor allem als komische Verkleidung der Macht, als Maskerade wahrnahm, irritiert die Nachfolgesammlung realer Nazis durch die inszenatorische Ähnlichkeit mit den fiktiven Nazis von der Filmleinwand.

Allerdings ist nun der sur­reale Witz suspendiert, „Real Nazis“ ist kein Kostümball mehr, auf dem alle großen Schauspieler − und viele kleine Nebendarsteller sowieso − ihren Auftritt haben. „Real Nazis“ versammelt Bilder aus ganz unterschiedlichen Quellen, wie der Verlag schreibt, von „Parteigrößen, Kriegshelden und Verbrechern“. Ihr großer Fotograf ist Walter ­Frentz, der von Hitler selbst damit beauftragt worden war, glamouröse Farbporträts von führenden Parteifunktionären und verdienten Soldaten anzufertigen, um sie so massenmedial in Zeitungen und Zeitschriften als sympathische Herrenriege unters Volk zu bringen. Interessanterweise gelingt das mit den Parteileuten ziemlich gut, während die adligen Von und Zus von der Wehrmacht doch eher arrogant und kalt rüberkommen. Massentaugliches Entgegenkommen: Da standen sie offensichtlich drüber.

So interessant und vor allem wichtig es ist, endlich einmal den Tätern und ihrer Vorstellung davon, wie sie gesehen werden wollten, zu begegnen, so vorsichtig sollte man sich trotzdem der Sammlung nähern. ­Piotr Uklański ist weder Historiker noch Journalist, und als Künstler ist er der Wahrheit als quellenmäßig überprüfbarem Tatbestand, aber auch als simple Kategorientreue nicht verpflichtet.

Das großartige Halbporträt eines Nationalsozialisten auf Seite 151 hat August Sander 1935 aufgenommen. Es gehört einer völlig anderen Kategorie an als die Propagandabilder von Walter Frentz. Sander ist nicht institutionell beauftragt und er fertigt in dieser Zeit mit der gleichen Akribie und Hingabe Porträts von unter Emigrationsdruck stehenden Kölner Juden an. Für Sander sind beide, Nazi wie Jude, deutsche Menschen des 20. Jahrhunderts.

Für August Sander sind beide, Nazi wie Jude, deutsche ­Menschen des 20. Jahrhunderts

Genauso wenig in die Sammlung passend – und in der Ausstellung der Bilder in der Neuen Galerie im Rahmen der Documenta 14 derzeit in Kassel ein eindeutiger und plumper Affront – ist das Porträt „Joseph Beuys (1921–1986), Bordschütze und Funker, c. 1942“. Sollte, wie hier offensichtlich angenommen, jeder Wehrmachtssoldat ein echter Nazi sein, erübrigte sich Uklańskis Buchprojekt.

Man sollte den Beuys also als Warnung vor der Verführung sehen, alles für bare Münze zu nehmen. Aber bei der einen oder anderen Fresse, da sollte man sich schon mal die Mühe machen und nachschauen, was ihr alles zur Last gelegt wird. Da kann es dann doch richtig spannend und aufklärend werden. Und wenn man dann zum Beispiel auf einen Tierfreund trifft, dessen Hund „Jodl“ heißt, dann weiß man eben gleich, wes Geistes Kind der gute Mann ist.

Piotr Uklański: „Real Nazis“. Edition Patrick Frey No. 525, Zürich 2017, 271 Seiten, 250 Abbildungen, 52 Euro

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen