Portrait
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In der Kritik: Venezuelas Star­dirigent Gustavo Dudamel Foto: ap

Schweiger mit dem Taktstock

Jahrelang hat er geschwiegen. Gustavo Dudamel, 36, weltweit gefeierter Star­dirigent aus Venezuela, blieb El Sistema treu, jener 1974 in Venezuela gegründeten Musikförderung für Kinder und Jugendliche aus dem Armenvierteln, aus der er selbst hervorgegangen ist. Bis heute leitet er das Programm, seit sich sein Mentor, der inzwischen 78-jährige Sistema-Gründer José Antonio Abreu, aus Altersgründen zurückgezogen hat. Er ist Chefdirigent des Simon-Bolívar-Jugendorchesters. Bei den Trauerfeierlichkeiten nach dem Tod des Präsidenten Hugo Chávez dirigierte selbstverständlich er.

Politisch positioniert hat er sich nie, und er hat alle Beschimpfungen, die er dafür einstecken musste, stoisch ertragen. Vorneweg die ebenfalls aus Venezuela stammende Star­pianistin Gabriela Montero wirft Dudamel seit Jahren vor, sich zum Aushängeschild der Propaganda der Maduro-Regierung zu machen. Tatsächlich unterstellte Hugo Chávez El Sistema direkt dem Präsidenten und nutzte die weltweite Bewunderung des venezolanischen Vorzeigeprojekts für sich aus.

Jetzt hat Gustavo Dudamel sein Schweigen endgültig gebrochen. In einem am Donnerstag in der spanischen Zeitung El País und der New York Times erschienenen Meinungsbeitrag fordert Dudamel von der Regierung Maduro, das Vorhaben der Wahl zur verfassunggebenden Versammlung, die für den 30. Juli geplant ist, aufzugeben. Das Vorhaben sei verfassungswidrig und verschärfe nur die schon bestehenden Konflikte und sozialen Spannungen.

Anfang April hatte sich Dudamel überhaupt erstmals zur aktuellen Krise in Venezuela geäußert – Anlass war der Tod des jungen Violinisten Armando Cañizares Carrillo. Dudamel rief zur Versöhnung und zum Respekt auf. In seinem Text vom Donnerstag geht er deutlich weiter. Ob seine Kritiker das aber anerkennen? Noch im April hatte Gabriela Montero gehässig geschrieben, es sei ja toll, dass Dudamel auch mal was merke.

Dudamel wird es aushalten. Schon am Abend dirigierte er in Los Angeles wieder mit dem Los Angeles Philharmonic Orchestra, dessen Chefdirigent er ist, ein Wagner-Programm – von Tannhäuser bis Walküre.

Bernd Pickert