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H&M macht sich zur Glaubensfrage

Lieferketten Der Textilkonzern verspricht faire Löhne, verweigert aber Informationen dazu

BERLIN taz | Die Ansage trug H&M den Respekt von Kritikern ein: Bis 2018 wolle man in vielen Zulieferfabriken in Entwicklungs- und Schwellenländern existenzsichernde Löhne zahlen, versprach der schwedische Textilkonzern vor fünf Jahren. Heute verweigert das Unternehmen jedoch Informationen darüber, wie man vorangekommen ist und bei welchen Lieferanten der höhere Lohn ab dem kommenden Jahr auch tatsächlich gezahlt wird. Eine unabhängige Überprüfung des Versprechens ist nicht möglich.

Die Aufgabe, die H&M sich selbst gesetzt hat, ist keine einfache. Bis 2018 soll die Hälfte seiner weltweiten hergestellten Produkte aus Fabriken stammen, in denen es „demokratisch gewählte Beschäftigten-Vertretungen“ gibt. Außerdem sollen dort „Lohn-Management-Systeme“ eingeführt sein, die „fair living wages“ unterstützen, heißt es im H&M-Nachhaltigkeitsbericht 2016.

Solche existenzsichernden Löhne sollen für die ArbeiterInnen nicht nur für Essen, Wohnen und Kleidung reichen, sondern auch beispielsweise für Bildung und Sparen. Meist liegt diese Bezahlung wesentlich höher als die staatlich festgesetzten Mindestlöhne. H&M will die Manager der Zulieferer, ArbeiterInnen und Gewerkschaften dabei unterstützen, solche Verdienste auszuhandeln. Die Firmen werden beraten, wie sie die Produktivität steigern können. Die Beschäftigten erhalten Hilfe bei ihrer Interessenvertretung. Seine Rolle „als Marke und Käufer“ sehe H&M nicht darin, selbst die Lohnhöhe festzusetzen, erklärt die Pressestelle.

Doch welche Fortschritte macht H&M, um sein Ziel zu erreichen? Das Unternehmen erklärt, im Laufe des Jahres 2016 sei die Zahl der Fabriken mit dem besseren Lohn-Management-System weltweit auf 140 gestiegen. 2017 sollen weitere 96 Lieferanten folgen. Mittlerweile kämen über 250.000 ArbeiterInnen in den Genuss der Existenzlohnstrategie.

Angaben dazu, um welche Zulieferer in welchen Staaten es sich handelt, verweigert H&M allerdings. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, welche Fabriken zur Gruppe der 50 Prozent mit besserer Bezahlung gehören. Eine unabhängige Überprüfung der Versprechen durch Nichtregierungsorganisationen oder Journalisten ist deshalb nicht möglich. In seiner öffentlichen Liste der weltweiten Zulieferer verzeichnet H&M etwa 2.000 Firmen, davon rund 700 in China, gut 300 in Bangladesch, knapp 300 in der Türkei und über 200 in Indien. Stichproben vor Ort gleichen einer Suche im Heuhaufen.

Man sei bereits transparent, sagt H&M – und verweist auf das gute Ergebnis im Transparenz-Index der Organisation „Fashion Revolution“ (Mode-Revolution). Sarah Ditty von Fashion Revolution sagt trotzdem: „H&M sollte mehr Details über seine Arbeit für existenzsichernde Löhne veröffentlichen.“ Dazu gehöre auch, konkrete Zulieferer zu nennen.

„H&M muss die Umsetzung seines Vorhabens nachprüfbar dokumentieren“, ergänzt Maik Pflaum von der Christlichen Ini­tiative Romero, die in der Kampagne für Saubere Kleidung mitarbeitet. „Sonst bleibt alles spekulativ, und das Versprechen, existenzsichernde Löhne einzuführen ist letztlich wertlos.“

Die Ethical Trading Iniative (ETI, Initiative für ethischen Handel), in der H&M Mitglied ist, springt dem Unternehmen dagegen bei. Die Firma habe bereits eine „führende Position“ eingenommen, indem sie ihre wichtigsten Zulieferer veröffentliche. ETI begrüße die Fortschritte bei H&M.

Der in Stockholm ansässige Konzern kämpft damit, dass viele Staaten keine unabhängigen Gewerkschaften dulden. Sie dürfen sich nicht gründen oder werden behindert, etwa in China und Bangladesch. Damit steht auch der Erfolg der Existenzlohn-Strategie von H&M infrage, die auf freien Verhandlungen zwischen Beschäftigten und Firmen basiert.

In seinem Nachhaltigkeitsbericht 2016 spricht der Textilkonzern dennoch von Erfolgen. So seien zwischen 2012 und 2016 die Löhne in den Zulieferfabriken in Bangladesch um 43 Prozent, in Kambodscha um 86 Prozent, in Indien um 31 Prozent und in Vietnam um 114 Prozent gestiegen. Hannes Koch

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