: Es passte alles zusammen
Tennis Nicht Venus Williams, die fünfmalige Siegerin, sondern Garbiñe Muguruza gewann das Finale beim Rasen-Grand-Slam von Wimbledon, am Ende recht deutlich mit 7:5, 6:0. Sie ist nach Conchita Martinez erst die zweite Spanierin, der das gelang
aus London Doris Henkel
Als Garbiñe Muguruza mit der berühmten Siegerschale in den Händen auf dem Balkon über dem prächtigen Eingang zum Centre Court erschien, da sah es für die darunter wartenden Fans so aus, als gehe gerade die Sonne auf.
Diese von Efeu umrankten Minuten auf dem Balkon gehören seit ein paar Jahren zur Ehrenrunde, und alle Spieler lieben sie. So wie auch den Moment, in dem sie zum ersten Mal vor der großen Tafel mit den Namen der Siegerinnen stehen; fast ehrfürchtig berührte Muguruza ihren gerade eingravierten Namen mit der ausgestreckten Hand. Sie weiß, dass er dort für immer stehen wird, und auch dieser Gedanke an eine gewisse Unendlichkeit gehört zum unvergleichlichen Flair nach einem Sieg in Wimbledon.
Es passte alles zusammen für die 23 Jahre alte Spanierin; nicht nur beim Finale, sondern von Anfang an. Vor zwei Jahren, nach ihrem ersten Finale in Wimbledon, hatte ihr die Siegerin Serena Williams mit auf den Weg gegeben, sie solle sich keine Sorgen machen, sie werde die Schale sehr, sehr bald selbst in den Händen halten. Im vergangenen Jahr bei den French Open in Paris griff Muguruza beherzt zu und besiegte Serena Williams im Spiel um den Titel.
Diesmal schnappte sie sich die Trophäe gegen deren ältere Schwester Venus, und hinterher sagte sie, gerade auf diese Kombination sei sie besonders stolz. Sie habe die Schwestern von kleinauf bewundert, und die beiden großen Titel ihrer Karriere gegen Serena und Venus Williams gewonnen zu haben, mache sie in gewisser Weise noch wertvoller. „Die Leute waren überrascht, als ich bei den French Open sagte, dass ich im Finale gegen Serena spielen wollte und hier gegen sie und Venus. Aber genau das war die Herausforderung.“
Natürlich wäre es auch eine wunderschöne Geschichte gewesen, wenn Venus Williams neun Jahre nach dem letzten ihrer fünf Titel in Wimbledon mit 37 Jahren den sechsten gewonnen hätte. Einen Satz lang hatte es in diesem Finale unter geschlossenem Dach so ausgesehen, als sei das möglich. Mit aller Entschlossenheit, mit großem Mut und Lust an der Herausforderung knallten die beiden die Bälle ins Feld, und dieser erste Satz passte als Abschluss eines bemerkenswerten Turniers mit vielen erstklassigen Spielen – das beste davon die Begegnung in der vierten Runde zwischen Muguruza und Angelique Kerber.
Im Spiel gegen Kerber entschieden am Ende nur ein paar Punkte, im Finale ging Venus Williams nach dem auch physisch höchst anspruchsvollen ersten Satz im zweiten sichtlich die Puste aus. Vielleicht wäre die Sache anders gelaufen, hätte sie einen ihrer beiden Satzbälle beim Stand von 5:4 genutzt, aber das ließ Muguruza nicht zu. War sie nicht nervös in diesen Augenblicken? War sie nicht. Hey, dachte sie, das ist völlig normal, du spielst hier gegen Venus, mach so weiter wie bisher. Und wenn du diesen Satz verlierst, ist es auch kein Drama. So wehrte sie die Satzbälle ab, und danach machte Williams kein Spiel mehr.
Garbiñe Muguruza
Und nach dem dritten Matchball fiel Conchita Martinez oben in der Spielerloge vor purer Begeisterung fast über die grüne Mauer. 1994 hatte Martinez mit gegen die damals 37 Jahre alte Martina Navratilova als erste Spanierin den Titel in Wimbledon gewonnen, diesmal sah sie mit größter Freude zu, wie ihrer Nachfolgerin das gleiche Kunststück gelang. Ihre entspannte Art spielte keine unwesentliche Rolle vor und nach den Auftritten von Garbiñe Muguruza; die Siegerin des Jahres 94 war eine erstklassige Vertretung für den Franzosen Sam Sumyk, der nicht dabei war, weil sein Kind dieser Tage zur Welt kommen soll.
Die Spanierinnen tanzten, lachten und fielen sich mit spitzen Freudenschreien in die Arme. Als einer später fragte, ob Venus Williams wegen ihrer bemerkenswerten Geschichte und wegen ihrer Klasse nicht doch die sentimentale Favoritin des Publikums gewesen sei, da meinte Muguruza lächelnd und mit entwaffnender Offenheit: „Ja, aber wir wollen doch neue Namen und neue Gesichter, oder?“
Die spanische Sportzeitung El Mundo Deportivo schrieb am nächsten Tag, Muguruza habe eine Legende vom Platz gefegt. Es ist mehr als das. Keine vier Wochen nachdem sie in Paris wegen einer Niederlage gegen die Französin Kristina Mladenovic Tränen vergossen hatte, zeigte Spaniens Beste, dass der Balkon der richtige Ort für sie ist.
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