Arbeiterproteste in Bangladesch: Langsame Normalisierung

Vor einem halben Jahr forderten TextilarbeiterInnen in Bangladesch höhere Löhne. Hunderte wurden entlassen. Ihre Jobs haben sie noch nicht zurück.

EIne Textilfabrik in Bangladesh, viele Arbeiter von oben fotografiert

Die Arbeitsbedingungen der Textilindustrie in Bangladesch sind hart Foto: ap

DHAKA taz | Hinter einer Moschee in einem Rohbau ist das Büro der Gewerkschaft BIGWF. Im Frühjahr waren die vier Räume im ersten Stock noch mit einem Schloss der Polizei versehen, niemand konnte rein und raus. Jetzt herrscht Betrieb: Gut zwei Dutzend Textilarbeiter sitzen um Tische herum und besprechen, was damals geschah. Das Meiste wirkt sich noch bis heute aus.

Im Herbst 2016 hatten ArbeiterInnen in 20 Fabriken, die unter anderem für Marken wie H&M, The Gap und Zara produzierten, im Norden von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka die Arbeit niedergelegt. Sie forderten eine Verdreifachung des niedrigen Lohnes – umgerechnet rund 59 Euro monatlich –, der ohne Überstunden nicht zum Leben reicht, und seit der letzten Erhöhung 2013 stark an Wert verloren hatte.

Regierung und Fabrikbesitzer reagierten rabiat: Der Textilexporteursverband BGMEA schloss vorübergehend 50 Fabriken und entließ rund 1.700 Menschen. Die Polizei nahm Dutzende Gewerkschafter fest und schloss alle Gewerkschaftsbüros in der Gegend.

Etwa zwei Monate dauerte der Konflikt an, bis ein internationaler Textilgipfel zu scheitern drohte und die Fabrikbesitzer sich gezwungen sahen, doch mit ArbeiterInnen und Gewerkschaften zu verhandeln. Ende Februar einigten sich BGMEA, Arbeitsministerium und die internationale Gewerkschaft Industriall darauf, dass die Gewerkschaftsbüros wieder geöffnet würden, die Aktivisten freigelassen, die Verfahren gegen sie eingestellt und die gefeuerten ArbeiterInnen wieder eingestellt würden.

Weder Plünderungen noch Randale

Vier Monate später sind die wichtigsten Ergebnisse noch immer nicht umgesetzt. Ein weiteres Treffen der Verhandlungsparteien wurde im Mai kurzfristig abgesagt. Der BGMEA ließ eine Anfrage der taz unbeantwortet.

„An neun Tagen im Monat muss ich nach Dhaka fahren und mich dem Gericht präsentieren“, sagt Mohammed Ibrahim von BIGWF. Die Polizei hatte ihn Ende Dezember festgenommen. Die Vorwürfe: Plünderung, Randalieren und Landesverrat, insgesamt neun Verfahren. „Bisher laufen alle Verfahren weiter, die Anzeigen sind nicht zurückgenommen worden.“ Ibrahim bestreitet die Vorwürfe. Mehr noch: Mehreren Gewerkschaften zufolge hat es weder Plünderungen noch Randale gegeben.

Die im Büro von BIGWF versammelten Arbeiter haben nun seit sechs Monaten keinen Job mehr. Auch an anderen Fabriken werden sie abgelehnt, weil eine Schwarze Liste herumgegangen sei, mit Namen von Männern und Frauen, die nicht mehr eingestellt werden sollen. Viele haben sich in den vergangenen Monaten verschuldet. „Dieser Protest war richtig“, sagt einer der Männer im Raum. „Der Lohn ist seit drei Jahren gleich geblieben, aber die Lebensmittelpreise haben sich verdoppelt, sogar verdreifacht. Auch die Mieten steigen jährlich.“

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