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Friedensangebot für wirklich alle

Festival Offen auch für Rechte und Verschwörungstheoretiker: das Friedensfestival „Pax Terra Musica“

Eigentlich könnte es ein schönes Festival werden, das „Pax Terra Musica“, das an diesem Wochenende auf einem ehemaligen Militärflugplatz im brandenburgischen Niedergörsdorf stattfindet. Ein Fest, von Freitag bis Sonntag, für den Frieden, mit HipHop-, Rock- und Elektro-Musikern, einem breiten Rahmenprogramm von assoziierten Initiativen mit Ausstellungen, Filmvorführungen und Vorträgen. Und jeder ist willkommen.

Auf der Festivalseite im Netz heißt es: „Egal ob Du aus Europa oder von weiter weg kommst. Egal ob Du Frauen liebst oder Männer … Solange Du für den Frieden zwischen allen Menschen auf der Welt bist, wollen wir mit Dir tanzen!“

Doch die angebliche Offenheit der Friedensfreunde ist gleichzeitig ihr Problem. Im Programm tummeln sich Verschwörungstheoretiker, Reichsbürgerideologen sowie Personen und Zusammenhänge mit offener Flanke zur extremen Rechten.

Ein Zufall ist das nicht: Der Geschäftsführer des Festivals Malte Klingauf kommt aus der Bewegung der Montagsmahnwachen für den Frieden, die sich ab Frühjahr 2014 quer durch die Republik ausbreiteten. Mit der klassischen linken, antimilitaristischen Bewegung hat dieses Spektrum kaum Überschneidungen. Bei der Berliner Mahnwache war Klingauf von Anfang an dabei, hielt Reden und moderierte. Damals stets an seiner Seite: Hauptorganisator Lars Mährholz, der die amerikanische Zentralbank FED als größte Bedrohung des Weltfriedens ausmachte.

Nach ein paar Monaten des Hochs hatte sich die Friedensbewegung selbst zerlegt, einzelne Mahnwachen wie in Chemnitz schlossen sich Pegida an, andere verschwanden in der Bedeutungslosigkeit. Mit kläglichen Auftritten, etwa am Rande der Sicherheitskonferenz in München im Februar, versuchen sich die Reste der Bewegung am Leben zu erhalten.

Nun soll das Musikfest laut Veranstaltern „das größte Vernetzungstreffen der deutschen Friedensbewegung in diesem Jahr“ werden, mit – so die Hoffnung – bis zu 5.000 Besuchern.

Viele der Organisatoren, Musiker und teilnehmenden Initiativen hatten bereits direkt mit der Mahnwachenbewegung zu tun oder sind in Querfront- und Verschwörerkreisen aktiv. So gehört zu den Ausstellern die Leipziger Produktionsfirma NuoViso.TV, die wiederholt Sendungen für die rechtsextreme Monatszeitschrift Compact um Chefredakteur Jürgen Elsässer produzierte und zuletzt den Autor Akif Pirinçci interviewte, der für eine Hetzrede bei Pegida wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Mit dabei ist auch Ken Jebsen, der seit seinem Rausschmiss beim RBB unter stetem Antisemitismusverdacht steht.

Neben unverdächtigen Akteuren wie Attac Cotttbus oder dem Berliner Jugendwiderstandsmuseum tummeln sich unter den Ausstellern eine Vielzahl skurriler, oftmals esoterisch angehauchter Gruppierungen. Über einige Initiativen landet man schnell in einer digitalen Parallelwelt, voll von Fantasien über die Macht der Rothschilds, Zweifeln an den Terroranschlägen vom 11. September 2001 oder der bedingungslosen Solidarität mit Wladimir Putin und Baschar al-Assad.

Reichsbürger willkommen

Auch Reichsbürger, die daran glauben, dass die BRD kein Staat, sondern eine Firma sei, werden bei „Pax Terra Musica“ für den Frieden tanzen können. So etwa beim geplanten Auftritt des Rappers Dennis Schoolmann alias Denzko, der sich selbst dieser Szene zurechnet. Denzko bedient gleich auch noch eine zweite Gruppe, die Chemtrails-Theoretiker. Diese halten Kondensstreifen am Himmel für giftige Chemikalien, die der Staat zur Bevölkerungsreduktion einsetze. Kein Wunder, dass sich nicht jeder mit Denzko und anderen die Bühne teilen will. Mehrere Musiker sagten ihren Auftritt bereits ab, nachdem sie von dem Charakter der Veranstaltung erfuhren, als prominenteste unter ihnen die Band Itchy Poopzkid.

Die Veranstalter um Klingauf versuchen den Vorwürfen auf einem Blog zu begegnen, verweigern aber direkte Interviews. Kritiker seien Spalter, „die es sich offenbar zur Aufgabe gemacht haben, ein Erstarken der Friedensbewegung auch mit Mitteln des Rufmords zu verhindern“. Wie heißt es so schön im Motto des Festivals: „Unsere Religion ist die Liebe.“ Erik Peter

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