Solidarität und Stolz

Ortstermin Gegen den Pride in Sofia marschierten Rechtsextreme auf. Das wurde zum Reinfall

Voller Erfolg: Pride in Sofia Foto: Anastas Tarpanov

Wenn heute Menschen ganz offen als Müll bezeichnet werden, wenn das Leben von Schwulen und Lesben von Neonazis bedroht wird, dann hat unsere Gesellschaft ein Problem. Wenn die Behörden sich dann auch noch weigern, klar Stellung zu beziehen und sich schützend vor ihre Minderheiten, vor ihre Bürger*innen zu stellen, dann ist es eine Bankrotterklärung der Demokratie. Wenn sich all das dann auch noch in der Europäischen Union ereignet, dann müssen wir dringend reden und hinterfragen, was in diesem Falle Bulgarien über Europa und seine Werte nicht verstanden hat oder verstehen will.

Am Wochenende fand in Sofia der 10. Pride statt. Die LGBTI-Community musste sich schon seit ihrem ersten Marsch für Gleichheit jedes Jahr in Bulgariens Hauptstadt mit Anfeindungen durch rechte und patriotische Kräfte abfinden. Oft angefeuert durch die religiösen Kräfte, die in der Diversität der Bevölkerung, in der Emanzipation der Jugend und vor allem der Frauen teuflische Machenschaften ausmachten und das Ende der sogenannten klassischen Familie, gar das Ende der Welt prophezeiten. Aber dieses Jahr war die Bedrohungslage für die LGBTI-Community viel realer als sonst.

Ein paar Tage vor der Regenbogen-Demonstration hat sich die ultranationalistische Gruppe „Nationaler Widerstand“ mit einer Videobotschaft in den sozialen Netzwerken zu Wort gemeldet. Darin hat sie angekündigt, dass sie zeitgleich mit dem Pride und dann auch noch am gleichen Versammlungsort, nämlich im Park des Sowjetischen Kriegsdenkmals, eine Säuberungsaktion plane, um „den Müll Sofias zu entsorgen“. Die Aktion wurde sogar von der Stadtverwaltung genehmigt. Sofias Bürgermeisterin Jordanka Fandakova fand auch nicht alarmierend, dass die Neonazis ihre Kameraden aufriefen, „Werkzeuge mit langen Holzstangen“ mitzubringen. Schließlich hätten diese Patrio­ten nicht mit Gewalt gedroht, sondern sich für eine gemeinnützige Aufgabe angemeldet.

Alarmiert waren dafür andere: Europäische Parlamen­ta­rier*innen, verschiedenste Organisationen aus aller Welt und Anrufe bei den Botschaften Bulgariens weltweit haben die Behörden vor Ort zum Handeln bewegt. Die Polizeipräsenz wurde erhöht. Immerhin. Als echter Schutzschild diente der LGBTI-Community auf dem Pride aber erst das persönliche Erscheinen der Botschafter*innen von Großbritannien, Israel und Belgien sowie weiterer Diplomaten unter anderem aus den USA, Frankreich, Brasilien, Spanien und Finnland. Aus Deutschland hatte der stellvertretende Botschafter sein Kommen angekündigt, wurde aber nicht gesehen.

Trotz der jährlichen Gewaltandrohungen ist in Sofia Erfreuliches zu beobachten: Es kommen immer mehr Menschen zusammen, immer mehr junge Leute entscheiden sich, aus der Dunkelheit des patriarchalen Systems auszubrechen und für gleiche Rechte zu demonstrieren. Am Wochenende waren es rund 3.000, darunter mehrere heterosexuelle Elternpaare, die mit einer Hand Kinderwagen vor sich herschoben und mit der anderen eine kleine Regenbogenfahne schwenkten. Zum Parkputz der Nazis kamen nur 50 Menschen.

Die Community in Sofia wächst zusammen. Die Community lässt sich nicht einschüchtern, und sie fragt sich, womit sie nächstes Jahr zu rechnen hat, wenn Bulgarien den Vorsitz des Europarates übernehmen wird. Darüber muss dringend gesprochen werden. Alfonso Pantisano
, Sofia