piwik no script img

Andreas Wyputta über den Friedensmarsch gegen den Terror in KölnSpart euch die Häme!

Zum Ramadan-Friedensmarsch der Muslime und ihrer Freunde in Köln sind weit weniger Menschen gekommen als erhofft. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber ausschlaggebend dürfte der Boykott durch den Moscheeverband Ditib gewesen sein, der von der Religionsbehörde des autoritär regierenden türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan mitfinanziert wird.

Hinzu kommt der viel zitierte „Distanzierungsdruck“: Die Mehrheitsgesellschaft bedrängt Muslime, denen Terrorismus völlig wesenfremd ist und die nichts mit ihm zu tun haben, gegen Terror Stellung zu beziehen. Und: Wer Wurzeln in einem muslimischen Land hat, selbst aber längst nicht mehr religiös empfindet, mag noch weniger Anlass gesehen haben, sich einem Marsch von Muslimen gegen Islamisten anzuschließen.

Aus der geringen Teilnehmerzahl nun aber zu folgern, es gebe in der Bundesrepublik „keinen organisierten liberalen Islam“, wie es manche Kommentatoren bereits tun, ist falsch. Die Warnung, „rechtsgerichtete Kreise“ könnten die relativ geringe Resonanz auf die Kölner Demonstration zur Stimmungsmache benutzen, muss man fast bösartig nennen. Denn die Alternative zu Aktionen wie diesem von der Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor initiierten Friedensmarsch oder der von der Juristin Seyran Ateş möglich gemachten Eröffnung einer liberalen Moschee am Freitag in Berlin, in der Männer und Frauen gleichberechtigt nebeneinander beten, ist – Schweigen.

Der Rückzug aus der Öffentlichkeit aber kann in Zeiten, in denen sich immer mehr Muslime einem Terrorgeneralverdacht ausgesetzt sehen, kein gangbarer Weg sein. Die Kölner Friedensmarschierenden haben deutliche Worte gegen jede Form von Intoleranz, Gewalt und Terror gefunden, und das allein zählt. Für ihren mutigen, gegen massive Widerstände durchgesetzten Protest verdienen sie Anerkennung und Unterstützung, keine versteckte Häme.

Inland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen