Ob die Krise um Katar und der Doppelanschlag im Iran direkt zusammenhängen, ist unklar. Die Stabilität der Region wird durch beides gefährdet.
Spuren des Terrors am iranischen Parlament
Foto:
dpa
Die Anschläge in der iranischen Hauptstadt Teheran haben das ganze Volk in einen Schockzustand versetzt. Anders als die Nachbarstaaten war Iran in den letzten Jahren von Terroranschlägen verschont geblieben. Mit Stolz bezeichnete die Staatsführung das Land als eine Insel der Sicherheit und Stabilität.
Über die Hintergründe der Anschläge lässt sich nur spekulieren. Zwar hat der „Islamische Staat“ (IS) die Verantwortung übernommen, was der Wahrheit entsprechen könnte. Denn für den sunnitisch-fundamentalistischen IS sind Schiiten Ungläubige, die es zu vernichten gilt. Aber es könnten auch andere gewesen sein – Akteure im In- oder Ausland.
In Innern hat sich die iranische Gesellschaft im Zuge der Präsidentenwahl im vergangenen Monat gespalten. Dem Lager der Gemäßigten und Reformer steht eine Front von mächtigen Konservativen und Hardlinern gegenüber, die entschlossen ist, eine Öffnung zu verhindern. Manche sehen in den Anschlägen den Versuch dieser Front, mithilfe der Justiz, der Ordnungskräfte und der Revolutionsgarden mehr Macht auszuüben und die Regierung zu isolieren. Gerüchte sprechen sogar von einem möglichen Putsch der Revolutionsgarden.
Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass die Anschläge mit den jüngsten dramatischen Ereignissen im Zusammenhang stehen: dem Besuch von US-Präsident Donald Trump in Saudi-Arabien, bei dem der Plan zu Gründung einer „arabischen Nato“ erörtert wurde, und schließlich dem Abbruch der Beziehungen zwischen einigen arabischen Staaten und Katar.
Katar in der Isolation
Alles klar im Staate Katar? Die nicht ganz so ausgelassene Kinderschar vor der Ramadan-Kanone in der Hauptstadt Doha lässt vermuten, dass da doch was nicht stimmt.
Foto:
reuters
Stimmt: Der autokratische Herrscher des Kleinstaates, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, muss sich Sorgen machen. Seit Mittwoch ist sein Land auf der arabischen Halbinsel politisch isoliert.
Foto:
imago/PanoramIC
Die unmittelbaren Nachbarn haben die diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen. Saudi-Arabiens König Salman sowie der Kronprinz des Emirats Abu Dhabi, Scheich Muhammad bin Zayid Al Nahyan, gerieren sich plötzlich als Gegenspieler. Ausgerechnet sie werfen der katarischen Führung die Unterstützung islamistischer Terrorgruppen vor. Und ein zu inniges Verhältnis zum saudischen Erzrivalen Iran.
Foto:
ap
Für ihren Schritt haben sich die Saudis und Emiratis den Support von US-Präsident Trump geholt. Der brüstete sich auch gleich auf Twitter damit, dass er so einen richtig schönen Keil in die arabische Staatengemeinschaft getrieben hat. Dabei waren doch alle Herren der Halbinsel noch auf dem Gemeinschaftsfoto mit dem POTUS während seines Besuchs in Riad. Aber schon da stand der Katars Herrscher mit gezwungenen Lächeln etwas im Abseits (1. v. l.).
Dafür, dass Katar nur rund 2,2 Millionen Einwohner hat, ist sein Einfluss im Nahen Osten immens. Nicht zuletzt sorgt dafür der dort ansässige TV-Sender Al Jazeera, die größte Fernsehstation im arabischsprachigen Raum. Nicht immer sind die von ihr ausgestrahlten Inhalte im Sinne der regionalen Despoten.
Foto:
reuters
Doha wächst wie alle Metropolen am Golf immer weiter in die Höhe. Das Luftbild zeigt das Diplomatenviertel der Hauptstadt, dort, wo nun Krisenstimmung herrscht. Wurde das Bild aus dem Fenster einer Maschine von Katar Airways aufgenommen? Die ist eine der wichtigsten Fluglinien in der Region, ...
Foto:
reuters
... aber nicht nur die diplomatischen Beziehungen wurden durch die Nachbarn abgebrochen, auch die Verkehrsverbindungen wurden gekappt. Das hatte Auswirkungen auf den Luftverkehr, viele Qatar-Airways-Flüge mussten gecancelt werden. Der Flughafen von Doha wurde zum Nachtlager für Reisende.
Foto:
ap
Unterdessen kam es in den Supermärkten zu Hamsterkäufen. Die Bewohner Katars fürchten aufgrund der Unterbrechung der Verkehrswege Engpässe bei der Lebensmittelversorgung.
Foto:
dpa
Und was wird jetzt aus dem Kickerparadies Katar? Dort soll 2022 die Männerfußballweltmeisterschaft stattfinden. Ein Wicht, wer denkt, dass die Auswahl des Landes als Gastgeber nicht ganz mit rechten Dingen zuging. Derzeit stampfen Brigaden schlecht bezahlter Arbeiter mehrere Stadien aus dem Boden, die wohl nur ein- oder zweimal in ihrer Existenz ausverkauft sein werden.
Foto:
reuters
Saudi-Arabien und Abu Dhabi sind im übrigen nicht alleine mit ihrer neuen Feindschaft zu Katar. Mit von der Partie ist auch der von ihnen finanziell abhängige ägyptische Diktator Abd al-Fattah Said Husain Chalil as-Sisi – hier umgeben von Angehörigen seiner Armee.
Foto:
reuters
Al-Sisi stört massiv, dass Katar in seinem Land seit langem die verbotene Muslimbrüderschaft sponsert.
Foto:
reuters
Der wichtigere Opponent des neu geschmiedeten Bündnisses ist aber natürlich der Iran (im Bild Irans Präsident Hassan Rohani). Insbesondere Saudi-Arabien fühlt sich durch die Außenpolitik des persischen Staates herausgefordert. Teheran unterstützt das Assad-Regime in Syrien, schiitische Milizen im Irak, die Hisbollah im Libanon und vor allem die Huthi-Rebellen im Jemen an der Südspitze der arabischen Halbinsel.
Foto:
reuters
Auch in Jemen fand der arabische Frühling statt, aber er mündete in einen Krieg der Stellvertreter Saudi-Arabiens und des Iran. Der jemenitische Staat existiert faktisch nicht mehr, wie Syrien ist das Land in verschiedene Interessensphären gespalten. Und jüngst ist es zum Ausbruch einer Cholera-Epidemie gekommen. Eine humanitäre Katastrophe abseits der medialen Aufmerksamkeit des Westens.
Foto:
reuters
Dass das Bündnis sich so gegen Katar engagiert, ruft noch weitere Mächte auf den Plan, allen voran die Türkei. Der Autokrat vom Bosporus, Recep Tayyip Erdogan, pflegt nämlich gute Beziehungen zu Katar und hat schon mittgeteilt, dass er von der politischen Isolation des Emirats so garnichts hält. Er könnte jetzt zusammen mit Katar näher an den Iran heranrücken.
Foto:
reuters
Und am Ende taucht auch er wieder auf der Bühne auf: Russlands Präsident Wladimir Putin - hier sowieso schon im Gespräch mit dem katarischen Herrscher Sheikh Tamim. Knapp gesagt: In diesem Fall befindet er sich über Kreuz mit Trump. Die Populisten und Autokraten dieser Welt spielen also mal wieder Bäumchen wechsel dich.
Foto:
reuters
All diese Ereignisse habe direkt mit dem Iran zu tun, der als gefährlicher Feind betrachtet wird. Sagte doch der saudische Außenminister kürzlich: „Wir werden nicht warten, bis sie (die Iraner) den Krieg nach Saudi-Arabien bringen. Unser Bestreben ist, dass der Krieg auf ihr Territorium geführt wird.“ Könnte es sein, dass die Anschläge der Beginn eines drohenden Kriegs sind?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei!
Jetzt unterstützen
Das ist leider kein Unsinn. Die Wahl von Trump, dessen Besuch bei der NATO, die Veränderungen für den Bündnisfall, die eingeforderte und stattfindende Aufrüstung, Besuche bei den Saudis, Ausgrenzen von Katar (wozu eigentlich? Um da irgendwann unter dem Terrorismusunterstützer-Vorwand einzumarschieren? Guter Stützpunkt, gleich am Kaspischen Meer)... Da fügen sich schon ein paar Steinchen zu einem schrecklichen Bild zusammen, von wegen Munkeln. Schon seit längerem. Vor dem Einmarsch nach Afghanistan und Irak vor vielen Jahren warnten einige Nahostexperten davor, dass der nächste Krieg in Syrien stattfinden würde, das eigentliche Ziel aber der Iran sei, der am Ende ebenfalls angegriffen würde. Fatal, da atomare Waffen. Da Israel. Ich zumindest mache mir durchaus Sorgen.
8G
83379 (Profil gelöscht)
@CV:
Mehr als 70 Millionen Einwohner, relativ homogene Gesellschaft, extremer Patriotismus, ich glaube nicht, dass irgendein kompetenter Militärplaner einen Angriff auf den Iran vorschlagen würde.
Islamisten hassen Schiiten und der Iran hilft den Feinden des IS und ist ideologischer Feind, da macht so ein Anschlag aus deren kranken Sicht Sinn.
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind