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Die Richterin

Wie machen Sie das?

Foto: Zoonar

Ildiko Szabados, 41, ist Richterin am Amtsgericht Tiergarten in Berlin und verhandelt dort Strafsachen.

taz.am wochenende: Frau Szabados, Recht und Gerechtigkeit sind nicht immer das Gleiche, trotzdem müssen Sie am Ende ein Urteil fällen. Wie machen Sie das?

Ildiko Szabados: Wenn jemand einbricht und einfach nur an Geld will, dann lautet das Urteil vielleicht zwei Jahre Gefängnis. Damit habe ich ein gutes Gefühl. Manchmal ist es aber so, dass da ein Mensch vor mir sitzt, der wegen seiner Heroinsucht im Supermarkt klaut. Dann fühlt es sich nicht richtig an, den wieder für drei Monate ins Gefängnis zu stecken, weil das keine Lösung ist. Dann fühlt man sich hilflos, aber ich bin an das Gesetz gebunden. Ich kann mir keine neue Strafe ausdenken.

Welche Strafen können Sie denn verhängen?

Da gibt es bei Erwachsenen nur zwei Möglichkeiten: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe. Wird die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, könnte ich eine Therapie anordnen oder Arbeitsauflagen. Da kann man etwas kreativer reagieren.

Würden Sie sich alternative Strafen wünschen?

Geld- oder Freiheitsstrafen sind manchmal nicht zielführend, auch weil der Resozialisierungsgedanke in den Haftanstalten nicht immer umgesetzt wird. Ich würde das aber nicht runterbrechen auf die Frage, ob wir andere Sanktionsmechanismen brauchen. Da müsste man größer und früher ansetzen, etwa in der Suchtprävention.

Verfolgen einen die Fälle ins Privatleben?

Das geht mir manchmal durchaus nahe. Mir wird oft bewusst, wie privilegiert ich bin, wie privilegiert meine Kinder sind.

Und wie bleibt man neutral und professionell?

Ich versuche, den Menschen zu sehen, der vor mir sitzt. Es geht aber nicht darum, ob ich den Angeklagten sympathisch finde. Ich halte mich an die Fakten: Was ist die Tat, wie ist der Strafrahmen, was spricht für die Person, was gegen sie.

Interview Felix Wellisch

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