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Die große Unbekannte

BIO-PIC Nach Filmen über Jimi Hendrix und die Hamburger Gefahrengebiete hat Rasmus Gerlach einen über die Künstlerin Hanne Darboven gedreht

Die kaputte Vase ist drin geblieben. Besser als jede Beschreibung davon, wie es aussieht in dem Haus in Hamburg-Harburg, in dem Hanne Darboven (1941–2009) den allergrößten Teil ihres Lebens gelebt und gearbeitet hat, ist diese Szene in „Timeswings“: Da erzählt der langjährige Tierarzt der Darbovens irgendetwas, macht eine unachtsame Bewegung und zack! – wischt er eines dieser schier zahllosen Objekte von einem anderen.

Regisseur Rasmus Gerlach hat schon über die Hamburger „Gefahrengebiete“ und die dort aktiven Lampedusa-Flüchtlinge und Jimi Hendrix' letztes Konzert auf der Ostseeinsel Fehmarn gedreht und begreift die eigenen Filme immer auch ein wenig als Sache mit offenen Enden: Nach Screenings fragt er sein Publikum nach dessen Meinung. So peinlich der kleine Vorfall also gewesen sein mag: Auch in der vorerst letzten Fassung des Films geht sie zu Bruch, die Vase der in aller Welt berühmten, in Hamburg aber wenig bekannten Künstlerin. So streng viele von deren Arbeiten waren, so bohème-fern ihr Tagesablauf: Ihre unmittelbare Umwelt hätte die Großcousine des Kaffeerösters und Pferdezüchters Albert J. Darboven auch als Messie erscheinen lassen können, oder genauer: als Hoarder, derart voll mit Kram sind diese Räume. Darboven hatte sich immer gewünscht, daraus später ein Museum werden zu lassen, aber all die vielen Objekte und Publikum – das passt nicht zusammen.

Immerhin: Dass die noch von Darboven gegründete Stiftung seit Kurzem begrenzten Zugang erlaubt, liegt auch an dem Film. Den bezeichnet Gerlachs Verleih als „Versuch, als Filmemacher einmal persönlich zu werden“. Und tatsächlich: Gerlach verbinden einige persönliche Begegnungen mit Darboven – wie ein Schulausflug ins Bremerhavener Kunstkabinett, der ursächlich gewesen sei für sein Studium an der Hamburger Kunsthochschule die auch Darboven besuchte, ehe sie zwei Jahre lang in New York lebte.

Dieser Teil ihrer Geschichte bleibt ein wenig blass: Wie Darboven damals aufgenommen wurde, welche Bande sie knüpfte, davon erzählt der Film wenig bis nichts. Dafür erinnert er an eine vielfach ignorierte Komponente ihres Werks: die im engen Sinne minimalistische Musik. Im Film ist die Künstlerin 2001 zu sehen, bei einem Konzert zu ihrem 75. Geburtstag in der Hamburger Laeisz­halle. Im Gespräch erzählt Gerlach davon, wie ihm bei einem Umzug seine selbst gedrehten Aufnahmen davon wieder in die Hände fielen. Diese Videokassette schickte er an die Stiftung, und die beauftragte in später einen Film über Darboven zu drehen. aldi

Ab heute in Hamburg, Abaton; Hannover, Künstlerhaus; Oldenburg, Casablanca. Vorstellung mit Rasmus Gerlach: So, 4. 6., 11 Uhr, Hamburg, Abaton, anschließend 13.15 Uhr „Vier Jahreszeiten – Der Mond ist aufgegangen“ (1981/82), Hanne Darboven

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