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Schikanen gegen NGOs beklagt

IndienMenschenrechtler fordert klare Worte Berlins bei deutsch-indischen Regierungskonsultationen

BERLIN taz | Der angesehene indische Menschenrechtsaktivist Henri Tiphagne fordert die deutsche Regierung zu weiterer Kritik an Indien auf. Der hindunationalistische Ministerpräsident Narendra Modi wollte noch am Montag mit etlichen Ministern zu den 4. deutsch-indischen Regierungskonsultationen nach Berlin reisen. Am Abend sollte es ein Essen mit Kanzlerin Angela Merkel in Meseberg geben, für Dienstag sind eine gemeinsame Kabinettssitzung und Wirtschaftsgespräche geplant.

Tiphagne, der 2016 mit dem Menschenrechtspreis der deutschen Sektion von Amnesty International ausgezeichnet wurde, fordert von Berlin, sich für die Entsendung des UN-Sonderberichterstatters zu Folter nach Indien einzusetzen und Delhi zur Ratifizierung der Antifolterkonvention zu drängen. „Indien hat die Konvention vor 20 Jahren unterzeichnet, aber bis heute nicht ratifiziert“, sagte Tiphagne zur taz.

Deutschland habe im Menschenrechtsrat schon Indien kritisiert, lobte er die Bundesregierung. Dies müsse weitergehen, denn: „Modi hört auf Deutschland“, glaubt Tiphagne. Er lobte auch, dass die Bundesregierung im sogenannten UPR-Verfahren zur Überprüfung der Menschenrechtslage die Schikanen thematisiert habe, denen kritische indische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zunehmend ausgesetzt seien.

Indische NGOs müssen sich alle fünf Jahre registrieren. Und für 180 Tage kann ihnen verweigert werden, Gelder aus dem Ausland zu empfangen. Dann werden ihre Konten eingefroren und sie sind nicht mehr arbeitsfähig. Tiphagnes Organisation People’s Watch, die in mehreren Bundesstaaten Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, Opfer verteidigt und Schulungen durchführt, wurde so noch von der früheren Kongress-Regierung von 2012 bis 2014 dreimal blockiert.

Unter Modi verweigerte im vergangenen Herbst das Innenministerium erneut People’s Watch die Lizenz. Manche wie der Sabrang Trust der Aktivistin Teesta Setalvad aus Mumbai, die Modi vorwirft, als damaliger Ministerpräsident Gujarats die antimuslimischen Pogrome dort 2002 mindestens geduldet zu haben, hätten zunächst eine Lizenz bekommen, diese sei aber wieder entzogen worden.

Tiphagne empört, dass in dem noch laufenden Gerichtsverfahren das Ministerium die Verweigerung explizit damit begründete, dass er UN-Sonderberichterstatter sowie ausländische Botschaften mit kritischen Informationen versorgt habe. Dies werfe auf Indien „ein schlechtes Licht“ und verstoße „gegen das nationale Interesse“, so die aktenkundige Begründung. Laut Tiphagne wird seine Klage, die im Juli entschieden werden soll, auch von der indischen Menschenrechtskommission unterstützt.

„Indien hat die ­Antifolterkonvention nicht ratifiziert“

Henri Tiphagne, People’s Watch

Modi beginnt in Deutschland, Indiens wichtigstem europäischen Handelspartner, eine Tour durch vier Länder Europas. Im Mittelpunkt stehen Wirtschaftsfragen wie das geplante Freihandelsabkommen mit der EU und strategische Themen. So fühlt sich Indien durch die chinesische Seidenstraßeninitiative herausgefordert.

SvEN Hansen

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