Starautor unter Nazis: Nette Leute trifft er überall
Mitten im neurechten Netzwerk um Götz Kubitschek: In Schnellroda nahm der US-Dramatiker Tuvia Tenenbom an einem Frühschoppen teil.
Er liebt die Provokation. Gern geht er dorthin, wo andere nicht hingehen. Am vergangenen Samstag suchte Tuvia Tenenbom das Gespräch mit Götz Kubitschek. Kein Überraschungsbesuch beim neurechten Institut für Staatspolitik (IfS). Zum „Literarischen Frühschoppen“ war Tenenbom geladen worden, er ist gerade mit seinem aktuellen Buch „Allein unter Flüchtlingen“ auf Lesereise. „Nice“ sei es gewesen, sagt der Journalist und Dramatiker der taz. Konfrontativ sei der Talk nicht verlaufen.
Im Gasthof von Schnellroda, dem Ort, wo das IfS seinen Sitz hat, fand der „Frühschoppen“ statt. Eintritt 5 Euro. Ein Honorar habe er erhalten, plus Steuer, er sei schließlich in Deutschland, sagt Tenenbom in seiner bekannt lustig-lakonischen Art am Telefon. Dass die Teilnahme an Podien mit Akteuren aus dem Netzwerk der Neuen Rechten in der deutschen Debatte umstritten ist, weiß er. Dass die Annahme einer Einladung nicht minder strittig ist, weiß er ebenso.
Seine Maximen sind bekannt und er wiederholt sie: Er höre sich alle Meinungen an, er rede mit allen, das gehöre zu einer Demokratie. Journalismus, der dies missachte, sei Aktivismus, sagt er.
In Schnellroda dürfte diese Aussage mehr als gefallen haben. Die Idee zur Einladung des New Yorker Bestsellerautors scheint Ellen Kositza gehabt zu haben, die mit Kubitschek das IfS prägt. „Hundert Karten“ seien zu vergeben, warb sie zuvor auf „Sezession im Netz“ am 24. April. Auf dem Blog des IfS schreibt sie auch gleich, dass ihre Schwester in Berlin nach einer Lesung mit Tenenbom meinte: „absolut kultig!“
Prompt scheint die Einladung offiziell vom Antaios Verlag, den Kubitschek leitet, erfolgt zu sein. Nicht allein die Maxime von Tenenbom kommt dem Netzwerk des IfS entgegen, auch seine Positionen dürften eine Einladung in Erwägung gebracht haben.
Provokant-ironischer Stil
In seinen Buch nimmt Tenenbom auch einen der Autoren aus dem Antaios Verlag in Schutz: Akif Pirinçci, der wegen seinen radikalen Äußerungen zum Islam in die Kritik geraten ist. Der Autor der Katzenkrimis „Felidae“ gehört mit seinen Sachbüchern wie „Umvolkung. Wie die Deutschen still und leise ausgetauscht werden“ und „Der Übergang. Bericht aus einem verlorenen Land“ mittlerweile zu den Hausautoren von Antaios.
In seinem provokant-ironischen Stil würdigt Tenenbom ihn als „feinen Geist“. Kubitschek erscheint ihm als „netter Kerl“. „Nette Leute“ habe er nun auch in Schnellroda getroffen, sagt er. Die Runde sei fein gewesen, sagt er und erklärt: „Nazis gibt es in der Linken wie in der Rechten.“
Bis Mittwochnachmittag hatten die Veranstalter keinen Bericht vom Frühschoppen in ihren Medien veröffentlicht. Den Event hat Benedikt Kaiser, der bei „Sezession im Netz“ publiziert, allerdings sofort am Veranstaltungstag gewittert. Mit Bildern vom Podium und Kurzkommentar. „Götz #Kubitschek in der Diskussion mit Tuvia #Tenenbom über Sendungsbewusstsein, Liberalismus, Rassismus“, schrieb er aus der laufenden Veranstaltung.
Die Präsenz scheint Kubitschek indes heute zur Selbstinszenierung auch äußerst willkommen zu sein. 2007 schrieb er in „Provokation“ noch, dass eine Diskussion jenseits ihres Spektrums über ihre „Begründungen“ und „Handlungsantriebe“ keinen Sinn habe. „Nein, diese Mittel sind aufgebraucht, und von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird Euch kein Wort überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht“, schrieb er in dem Text, den er aktuell in seinem Sammelband „Die Spurbreite des schmalen Grats“ wieder veröffentlicht hat.
Der Auftritt von Tenenbom hat indes schon Folgen. Eine Buchvorstellung in Leipzig fiel aus. Im Conne Island sollte sie stattfinden. Der Mitveranstalter, „Rassismus tötet“, sagte sie ab, da ein gewünschtes Statement von Tenenbom zu dem Auftritt in Schnellroda nicht erfolgt sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen