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Nicht viel begriffen

Bundesliga Der VfL Wolfsburg unterliegt gegen einen spielerisch schwachen, aber kämpferischstarken HSV – und muss in die Relegation. Glaubt aber immer noch, zu gut für den Abstieg zu sein

Aus Hamburg Ralf Lorenzen

Normalerweise geben Äußerungen von Spielern und Funktionären kurz nach Spielschluss zwar Einblicke in ihre Gefühlslage, enthalten aber so gut wie keine Erkenntnisgewinne. Das war nach der 1:2-Niederlage des VfL Wolfsburg beim Hamburger SV, die für die Niedersachsen die Teilnahme an zwei weiteren Entscheidungsspielen um den Klassenerhalt bedeutet, genau umgekehrt. Während die von ihren Fans beschimpften Wolfsburger Spieler längst in der Kabine waren und draußen die Hamburger Zuschauer Holtby und Co. entfesselt feierten, versuchten sich Trainer Andries Jonker, Manager Olaf Rebbe und Geschäftsführer Wolfgang Hotze in den Katakomben an ersten Erklärungen.

Und wirkten dabei, als würden sie den Trainingsplan für die nächste Woche verkünden. „Mit unserem spielerischen Potenzial sollten wir in der Relegation im Vorteil sein“, sagte Hotze und offenbarte damit nicht nur die Haltung, die den Werksclub erst ins Desaster geführt hat, sondern auch, dass er in den vergangenen neunzig Minuten wenig dazugelernt hatte.

Denn der Sieg des HSV, der seinerseits die erneute Relegationsteilnahme verhinderte, hatte mit nichts weniger zu tun als mit spielerischer Qualität. Im Falle der Rothosen von mangelnder: In den ersten dreißig Minuten brachten die Hamburger keinen einzigen zielführenden Spielzug zusammen und wurden von den flüssig kombinierenden Wölfen klar dominiert. Mit zwei Großtaten verhinderte Torwart Christian Mathenia den Rückstand, bevor er gegen einen Kopfball von Robin Knoche machtlos war.

Zu diesem Zeitpunkt war sehr viel Fantasie notwendig, um sich vorzustellen, wie der HSV hier noch zwei Tore schießen sollte. Ein Unentschieden hätte den Wölfen zum Klassenerhalt gereicht. Zum HSV-üblichen Rumpelfußball gesellte sich lähmende Versagensangst.

Einzig die Unterstützung der Zuschauer funktionierte. Beim kleinsten Raumgewinn pumpte sie so viel Energie auf den Platz, dass sich zumindest winzige Türen Richtung gegnerisches Tor öffneten. So wie in der 32. Minute, als drei HSV-Spieler gegen VfL-Innenverteidiger Phi­lipp Wollscheid pressten, Lewis Holtby den Ball eroberte, in die Schnittstelle passte und Filip Kostic trocken vollendete.

Gerade, wenn so ein Tor nicht Folge eines guten Spiels, sondern purer Willenskraft ist, kann es einem Team den Glauben an den Erfolg wiedergeben. Zumal der HSV in der Vergangenheit wiederholt die Erfahrung gemacht hat, sich mit mentaler Stärke aus scheinbar aussichtslosen Situationen zu retten: in den letzten Relegationsspielen genauso wie vergangene Woche beim späten Ausgleichstreffer bei Schalke 04. Den Wolfsburgern fehlen nicht nur diese Erfahrungen, sondern auch abstiegskampferprobte Führungskräfte, wie sie der HSV mit Vorstand Heribert Bruchhagen oder Trainer Markus Gisdol hat. Auch Kämpfertypen wie Holtby oder Kyriakos Papadopoulos sucht man in der zweitteuersten Mannschaft der Bundesliga vergeblich. Sie wurde eher für die Champions League als für den Abstiegskampf zusammengestellt.

Und dementsprechend verhielt sie sich auch in der zweiten Halbzeit. Der VfL schaltete auf Verwaltungsmodus um, während die Hamburger bis zur letzten Sekunde brannten und in der 88. Minute durch ein Kopfballtor des gerade eingewechselten Lukas Waldschmidt belohnt wurden. Das war das Siegtor für die Hamburger; die anschließende Euphorie war riesengroß.

In der Nachspielzeit hatte Schiedsrichter Manuel Gräfe eine elfmeterreife Aktion von Papadopoulos gegen Maximilian Arnold übersehen. Die Ansetzung von Gräfe wurde heftig kritisiert, da er vor zwei Jahren dem HSV in der Relegation kurz vor Schluss einen umstrittenen Freistoß zuerkannt hatte, ohne den der Klub abgestiegen wäre.

Bei den Wolfsburgern suchte allerdings niemand die Schuld beim Schiedsrichter. „Das haben wir so verdient“, sagte Mittelstürmer Mario Gómez, der Einzige, der der Mannschaft noch Mentalität einimpfen kann. Die wird bitter nötig sein, um in den Relegationsderbys gegen Eintracht Braunschweig oder Hannover 96 (Teilnehmer stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest) zu bestehen.

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