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Huldigung eines 68er-Kameramanns

Lebensgefühl Im Kino im Sprengel in Hannover wird eine Reihe von Filmen gezeigt, bei denen Bernd Fiedler hinter der Kamera stand

Kameramänner werden selten mit Werkschauen geehrt. Der kürzlich verstorbene Michael Ballhaus ist da die Ausnahme von der Regel, denn bei den meisten Filmen wird kaum darauf geachtet, wer sie gedreht hat. Umso bemerkenswerter ist es, wenn im kleinen Kino im Sprengel in Hannover einzig Filme gezeigt werden, bei denen Bernd Fiedler hinter der Kamera gestanden hat.

Noch spezieller ist es, dass nur Filme aus einer zeitlich begrenzten Phase von Fiedlers Karriere ausgewählt wurden: ausschließlich zwischen den Jahren 1968 und 1970. In dieser Zeit war Fiedler Teil der unabhängigen Filmszene von München, die sich zur APO-Bewegung zugehörig fühlte. 1968 gehörte der Kameramann zu einer Gruppe von 18 Studenten, die wegen politischer Auseinandersetzungen aus der Deutschen Film und Fernsehakademie in Berlin rausgeschmissen wurden – was damals einem Adelstitel bei der außerparlamentarischen Opposition gleichkam.

Der 1941 in Kiel geborene Fiedler macht heute noch Filme. 2016 war er neben der Kamera auch für die Regie, das Drehbuch und die Produktion eines Dokumentarfilms mit dem Titel „Jümmer Suutje“ verantwortlich, der allerdings bis jetzt noch nicht veröffentlicht wurde.

Seit langer Zeit macht Fiedler die Kameraarbeit für die experimentellen Trickfilme des Hamburger Filmemachers Franz Winzentsen. Doch seine bekanntesten Filme entstanden in den späten 60er- und 70er-Jahren mit „Rote Sonne“ von Rudolf Thome und „Chronik der laufenden Ereignisse“ von Peter Handke.

Die Auswahl am Freitagabend im Kino im Sprengel besteht dagegen aus weithin unbekannten Filmen jener Jahre, deren Reiz heute auch nicht in filmkünstlerischen Finessen bestehen dürfte, sondern darin, ein rebellisches Lebensgefühl einzufangen. Ein deutscher Titel schien in dieser Zeit zu spießig gewesen zu sein und so wurden die Filme nach verschiedenen Musikalben genannt.

Der Kurzfilm „Under my Thumb“ bezieht sich direkt auf den Song der Rolling Stones. „Anathan Anathan“zeigt das Leben in einer Schwabinger Wohngemeinschaft und dabei wird Bob Dylans damals gerade erschienene LP „Nashville Skyline“ gespielt. „Crash Theo“ ist das Porträt eines Münchner Discjockeys und „The Pretty Things“ zeigt den Auftritt der gleichnamigen englischen Beatband.

Am Samstag läuft „Dark Spring“ von Ingemo Engström. Eine Genremischung mit fiktiven und dokumentarischen Elementen, in der es um die Liebesutopien von Frauen geht. HIP

Gezeigt werden vier Kurzfilme mit Kameramann Bernd Fiedler von drei bis 57 Minuten Länge: Kino im Sprengel, Hannover, 19. Mai 2017, ab 20.30 Uhr

Dokumentarfilm „Dark Spring“: Kino im Sprengel, Hannover, 20. Mai 2017, 20.30 Uhr

An beiden Filmabenden ist Bernd Fiedler zu Gast und erzählt von seiner Arbeit

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