: Wenn sich Lesben Kinder wünschen …
GLEICHSTELLUNG Seit Langem gehören Regenbogenfamilien zum Alltag. Doch ob alleinstehend oder als Paar, Lesben werden bei der Kinderwunschbehandlung und Familiengründung rechtlich noch immer benachteiligt
von Steff Urgast
„Der Weg zum Kind und wie wir dies rechtlich umsetzen können, wirft für mich viele Fragen auf“, sagt Lena. Gemeinsam mit ihrer Partnerin Sandra lebt sie seit über fünf Jahren in einer lesbischen Beziehung – und beide wünschen sich ein Kind. „Soll es mithilfe eines Freundes sein oder doch mittels eines Spenders über die Samenbank?“
Solche Überlegungen kennt Constanze Körner aus ihrer Arbeitspraxis gut. Als Leiterin des bundesweit ersten Regenbogenfamilienzentrums, 2013 vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) in Berlin gegründet, berät sie seit vielen Jahren Lesben, Schwule und Transpersonen rund um das Thema Regenbogenfamilie. „Circa 80 Prozent meiner Beratungen sind zu Kinderwunschfragen, davon wiederum bis zu 90 Prozent von alleinstehenden lesbischen Frauen oder lesbischen Paaren.“ Dabei halte es sich die Waage, ob letztlich die Samenbank konsultiert wird oder es einen Vater oder einen bekannten Spender gibt.
Rechtliche Hürden
Auch für Lesben gibt es heute viele Wege zum Kind, jedoch sind diese noch häufig mit rechtlichen Benachteiligungen verbunden. „Hier klafft eine große Lücke zwischen bestehendem Recht und gelebter Realität“, sagt Körner. „Es braucht daher das Recht auf vollen Zugang für Frauen zur Reproduktionsmedizin. Bis hier keine Gleichstellung erfolgt, bleibt es bei der Diskriminierung.“
Und diese geschieht auf verschiedenen Ebenen. So ist die assistierte Befruchtung in Deutschland zwar erlaubt, solange der Spender bekannt ist, einige medizinische Bereiche sind jedoch nicht ausreichend geregelt. Das Embryonenschutzgesetz macht etwa keine Angaben zur alternativen Befruchtung für lesbische Paare. Bei der Insemination, der Injektion von Spermien in den Eileiter der Frau, sowie der Lagerung von Sperma in Samenbanken und deren Weitergabe kommen daher die Richtlinien der Landesärztekammern zum Tragen.
Je nach Bundesland legen diese jedoch Voraussetzungen fest, die eine Behandlung teils klar auf verheiratete heterosexuelle Paare beschränken. Nicht verheiratete Frauen dürfen sie nutzen, wenn sie mit nicht verheirateten Männern in einer „festgefügten“ Partnerschaft zusammenleben, sofern die Männer bereit sind, ihre Vaterschaft anzuerkennen. Das führt in der Praxis dazu, dass eingetragenen lesbischen Paaren auch immer wieder der Zugang zu Samenbanken oder Kinderwunschzentren verwehrt wird, sie dort besondere Anforderungen erfüllen oder für die Behandlung höhere Preise zahlen müssen.
„Die Regelungen dazu sind uneinheitlich“, so Körner. In Berlin gebe es „eine Grauzone“, hier lasse die Landesärztekammer quasi offen, wie sich Kinderwunschzentren zu Anfragen von alleinstehenden Frauen und lesbischen Paaren verhalten können. „Es gibt zwar viele Zentren, aber es heißt nicht, dass sie auch lesbische Paare behandeln.“ Und wenn sie es doch tun, dann oft nur unter speziellen Bedingungen.
Diese Erfahrung mussten auch Sandra und Lena machen, die sich in einem Kinderwunschzentrum über weitere Schritte informieren wollten. „Wir wünschen uns ein Modell, in dem es zwei Bezugspersonen für das Kind gibt und der biologische Vater erst einmal keine größere Rolle spielt“, erzählt Lena. Die Beratung erlebte sie als unangenehm. „Ich hatte eher das Gefühl, Bittstellerin zu sein. Für homosexuelle Paare gab es hier die Auflage einer psychotherapeutischen Behandlung, die auch extra zu bezahlen war.“
Die beiden informierten sich schließlich Online über Möglichkeiten der Samenspende aus dem Ausland. „Viele gehen den Weg über eine Samenbank oder ein Kinderwunschzentrum in Dänemark oder in den Niederlanden“, sagt Sandra. „Dort gibt es unbürokratische Möglichkeiten, während es in Deutschland teils sogar als unethisch gilt, als lesbisches Paar schwanger zu werden.“ Darum wollen sich Sandra und Lena aller Voraussicht nach für ein dänisches, auf homosexuelle Paare spezialisiertes Kinderwunschzentrum oder auch direkt für eine dänische Samenbank entscheiden. „Die senden die Spermaspende auch zu, so dass wir die Insemination selbst zu Hause vornehmen könnten.“
Verbunden ist jegliche Kinderwunschbehandlung auch mit enormen Mehrkosten für lesbische Paare, denn eine teilweise Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen erhalten bislang nur verheiratete heterosexuelle Paare. Das koste schnell bis zu 10.000 Euro und schaffe für die lesbischen Paare „eine finanzielle Drucksituation“, erklärt Stephanie Gerlach. Die Autorin des Ratgebers „Regenbogenfamilien. Ein Handbuch“ hat Anfang Mai in München das bundesweit zweite Regenbogenfamilienzentrum mitgegründet. Als Beratungs- und Netzwerkstelle möchte sie dem kontinuierlich steigendem Informationsbedarf Rechnung tragen und sich für die Verbesserung der rechtlichen Situation queerer Familien einsetzen.
Öffnung der Ehe
Lesbische Frauen als rechtliche Eltern zu stärken, sei gar nicht so schwierig, meint Gerlach. „Die Öffnung der Ehe würde Paare zu einer sofortigen automatisierten, gemeinsamen Elternschaft bringen, ohne den langwierigen Umweg der Stiefkindadoption.“ Denn benachteiligt sind lesbische Paare auch nach der Geburt: Wenn ein heterosexuelles Ehepaar etwa mit Hilfe einer Samenspende ein Kind bekommt, ist der Mann mit der Geburt auch rechtlicher Vater. Frauenpaaren ist dies seit 2005 nur in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und über die Stiefkindadoption möglich.
Wichtig sei auch die Mutterschaftsanerkennung, betont Gerlach. „Heterosexuelle Eltern, dieein Kind bekommen, können die Vaterschaftsanerkennung und die Sorgeerklärung abschließen. Das muss auch für lesbische Paare möglich sein.“ Eine Öffnung wünscht sich Stephanie Gerlach zudem beim Adoptionsrecht. Denn homosexuelle Paare können zwar bereits gemeinsame Pflegeeltern werden, eine direkte Adoption ist aber noch nicht möglich.
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