kommentar von Sven-Michael Veit zur Wahl in Schleswig-Holstein: Jamaika im hohen Norden
Das war eine beeindruckende Aufholjagd, die CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther da hingelegt hat. Vor einem halben Jahr startete er als weithin Unbekannter, lag noch vor einem Monat in Umfragen weit hinter Titelverteidiger Torsten Albig und der SPD. Jetzt wird er der nächste Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, und das Land zwischen zwei Meeren bekommt eine neue Insel hinzu: Jamaika.
Ein wesentlicher Grund für den CDU-Wahlsieg ist nach ersten Analysen, dass es Günther gelungen ist, sein WählerInnenpotenzial voll auszuschöpfen. Um ein volles Viertel, rund 100.000 Stimmen, war das CDU-Ergebnis 2012 hinter dem von 2009 zurückgeblieben, jetzt ist die Zustimmung zur CDU noch deutlicher wieder angestiegen. Ein Verdienst des jugendlich wirkenden 42-Jährigen, der nun zum jüngsten Regierungschef seit Uwe Barschel werden dürfte.
Ein Erfolg ist das Ergebnis auch für die FDP – wenngleich es dafür keine Erklärung gibt. Wer wählt plötzlich Kubicki, der ihn jahrzehntelang nicht gewählt hat? Auch inhaltlich boten die Liberalen keine einzige neue Idee – und so liegt der Verdacht nahe, dass sie im Windschatten Günthers Stimmen Wechselwilliger mit absahnten.
Und das ist das Unerwartete. Monatelang war von Wechselstimmung in Schleswig-Holstein nichts zu ahnen, in allen Umfragen lagen die SPD und Albig weit vor der CDU und Günther, die Liberalen dümpelten auf dem Acht-Prozent-Niveau der vorigen Wahl. Der Umschwung vollzog sich in den letzten zehn Tagen. Und er vollzog sich ausschließlich zulasten der SPD, ihre Koalitionspartner Grüne und SSW blieben stabil.
Die Folge dürfte nun ein Bündnis von CDU, Grünen und FDP sein. Günther und Kubicki hatten monatelang unverhohlen dafür geworben, die Grünen werden sich nicht verweigern können. Die theoretische Alternative, die Ampel, hätte keine Akzeptanz: Ein Bündnis gegen den Wahlsieger CDU und mit dem Wahlverlierer SPD wäre nicht vermittelbar. Die Grünen regieren weiter – dann eben mit anderen Partnern.
Schwerpunkt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen