: ErzieherInnen sind wütend
Not Protestaktion am Dienstag gegen die Vergrößerung der Kindergartengruppen geplant. Bildungsbehörde will mit QuereinsteigerInnen den Fachkräftemangel beheben
von Eiken Bruhn
Am morgigen Dienstag um 9.30 Uhr werden Eltern und Beschäftigte von Kindertagesstätten vor dem Rathaus gegen die Pläne des darin tagenden Senats protestieren, die Gruppen der Drei- bis Sechsjährigen von 20 auf 21 Kinder zu vergrößern. Das kündigte am Freitag Ingo Tebje von der Gewerkschaft Ver.di auf einer Pressekonferenz im Gröpelinger Konzertsaal Pier 2 an. Zuvor hatten sich dort rund 1.300 bei Kita Bremen beschäftigte Erzieher und Erzieherinnen von der Kinder- und Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) erklären lassen, warum an dieser Gruppenaufstockung aus ihrer Sicht kein Weg vorbeiführt. „Das ist die Ultima Ratio“, hatte diese gesagt, andernfalls könne wie im vergangenen Jahr der Rechtsanspruch auf Betreuung nicht erfüllt werden. Die MitarbeiterInnen von Kita Bremen machten in Redebeiträgen deutlich, wie wütend sie sind. Der Leiter einer Kindertagesstätte kündigte auf der Versammlung an, die Pläne nicht umzusetzen und bekam dafür Applaus.
In Bremen fehlen derzeit bekanntermaßen mehrere hundert Plätze in der Betreuung von Ein- bis Sechsjährigen. Zum vergangenen Kita-Jahr, das in Bremen immer im August beginnt, gingen die Eltern von 1.700 Kindern leer aus. Zu diesem August wollte die Bildungsbehörde 171 neue Gruppen einrichten – davon 71 in Mobilbauten. Nicht alle stehen zum Kita-Start in elf Wochen bereit (taz berichtete). Und ob diese Ausbauplanung ausreicht, wisse die Bildungssenatorin voraussichtlich in der nächsten Woche, wenn alle Anmeldedaten der Träger vorliegen, sagte Bogedans Sprecherin Annette Kemp.
Unklar ist auch noch, wie der städtische Eigenbetrieb Kita Bremen – bei dem der überwiegende Teil der neuen Gruppen entstehen soll – in dieser Zeit das benötigte Personal finden soll. 130 Stellen müssten noch besetzt werden, rechnete die Personalratsvorsitzende von Kita Bremen, Grit Wetjen, am Freitag vor. Durch die jetzt angekündigte Gruppenaufstockung, die 600 Plätze schaffen soll, kämen noch einmal rund 70 Stellen hinzu, etwa die Hälfte bei Kita Bremen. „Der Markt ist leergefegt, ich weiß nicht, wo die noch herkommen sollen.“
Wetjen befürchtet, dass Kita Bremen nicht mit anderen Trägern in Bremen und im Umland um Fachkräfte konkurrieren kann, wenn jetzt auch noch die Gruppen aufgestockt würden. „Wir fordern seit Jahren, dass die Gruppen kleiner werden müssen, damit die Kolleginnen genügend Zeit für die Bedürfnisse der Kinder haben.“
„Ein Kind mehr macht einen Riesen-Unterschied“, sagte am Freitag eine Erzieherin auf dem Rückweg von der Personalversammlung. Sie könne jetzt schon nicht jedem Kind gerecht werden. „Wenn ich mich abends frage, ob ich auf jedes Kind eingehen konnte, muss ich mir eingestehen, dass ich das nicht geschafft habe.“ Ihre Kolleginnen pflichteten ihr bei. Keine von ihnen will den Beruf aufgeben, aber alle fragen sich, wie lange sie noch durchhalten werden.
Besonders wütend macht viele Erzieher und Erzieherinnen, dass sie aus den Medien von den Plänen erfahren hätten. Dabei waren diese noch nicht beschlossen, denn Bogedans SenatskollegInnen hatten noch nicht zugestimmt, als das Papier am Dienstag Medien zugespielt worden war – wahrscheinlich von Abgeordneten der rot-grünen Koalition, die es vorab bekommen hatten.
Grit Wetjen und die Gewerkschaft Ver.di fordern jetzt, dass der ganze Senat der Bildungssenatorin dabei hilft, das Kita-Chaos zu bewältigen. „Als Bremen vor der Herausforderung stand, in ganz kurzer Zeit sehr viele Geflüchtete unterzubringen und zu integrieren, ging das doch auch“, sagte Ingo Tebje von Ver.di.
Grit Wetjen, Personalrat Kita Bremen
Vor allem geht es um finanzielle Zusagen – etwa bei der Aufstockung der Aus- und Weiterbildungskapazitäten. Die Bildungssenatorin will laut ihrer Sprecherin Annette Kemp ein Programm aus Stuttgart übernehmen, bei dem über drei Jahre ein Ausbildungsgehalt gezahlt wird. Es richtet sich vor allem an Quereinsteiger aus anderen Berufen, die den Wechsel aus finanziellen Gründen scheuen. In Bremen bekommen FachschülerInnen nur im Anerkennungspraktikum im Anschluss an die schulische Ausbildung ein Gehalt. Diese beiden Ausbildungswege sollen nebeneinander laufen, wobei der überwiegende Teil kein Geld bekommen wird.
Zudem sollen im kommenden Jahr Personen, die eine „fachnahe“ Berufsausbildung oder Studium vorweisen können, sich berufsbegleitend weiterqualifizieren. Dies betreffe beispielsweise LogopädInnen, TanzpädagogInnen oder KunsttherapeutInnen, so Kemp. In Einzelfällen würden diese bereits eingestellt.
Erstmals stellt Kita Bremen in diesem Jahr wie die anderen Träger auch SozialassistentInnen ein. Der Personalrat hatte nur unter der Voraussetzung zugestimmt, dass diese sich berufsbegleitend zur ErzieherIn weiterqualifizieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen