Kommentar 1.-Mai-Demo in Hamburg: Strecke machen vor dem G-20-Gipfel

Hamburgs linke Szene zeigt sich besonnen. Der ruhige Verlauf der Proteste ist ein gutes Signal für den bevorstehenden Gipfel.

Teilnehmer der Revolutionären 1. Mai-Demo

Müde Füße, aber deutliche Botschaft: Teilnehmer der „Revolutionäre“1.-Mai-Demonstration in Hamburg Foto: dpa

Niemand hatte damit gerechnet, so weit laufen zu müssen. In den vergangenen Jahren kam die revolutionäre 1.-Mai-Demo in Hamburg nie weiter als 50 Meter, bevor die Lage eskalierte. In diesem Jahr, knapp zehn Wochen vor dem G-20-Gipfel, blieb der Mai-Protest so friedlich, dass die 2.500 TeilnehmerInnen die komplette Demo-Route laufen konnte.

„Wir sind froh, dass wir Kräfte für den G-20-Protest sparen können“, sagte einer der Anmelder bei der Abschlusskundgebung. „Kräfte sparen? Ich bin völlig fertig, durch ganz Hamburg im Eilmarsch gelatscht!“, entgegnete eine Aktivistin per Twitter. Am Rande der Kundgebung rieben sich DemonstrantInnen die erschöpften Füße.

Ein Testlauf für den G20-Gipfel, wie Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, die Mai-Proteste im Vorfeld genannt hatte, war das nicht. Wendt hatte am Sonntag behauptet, es gäbe Hinweise darauf, dass AktivistInnen den 1. Mai als Generalprobe für die Auseinandersetzung beim Gipfel nutzen und gezielt Stress mit der Polizei anzetteln wollten. Aber auch die Hamburger Innenbehörde hatte erkannt, dass das Quatsch war, und gesagt, man stelle sich auf einen ganz normalen Einsatz ein.

Dass Rainer Wendt Öl ins Feuer der Eskalation gießen will, ist man von ihm ja schon gewöhnt. Dass sich die AktivistInnen darauf nicht eingelassen haben, ist klug. Man hat schließlich anderes zu tun, zehn Wochen vor dem G20-Gipfel.

Vereint und entschlossen

Mit Blick auf die Proteste im Juli ist der ruhige Verlauf am 1. Mai ein gutes Signal. Besonnen, entschlossen und vereint ist die Hamburger linke Szene aufgetreten. Die Botschaft, die sie dadurch nach außen gegeben hat, formulierte ein Sprecher auf dem Lautsprecherwagen so: „Ruft all eure FreundInnen, Bekannte und Familie an und sagt ihnen, sie sollen nach Hamburg kommen und den verfickten scheiß Gipfel stören!“

Dass es am späten Abend noch zu den üblichen Krawallen im Schanzenviertel kommen musste, hat viel mit ritualisiertem Protest und nichts mit dem bevorstehenden Gipfel zu tun. Der 1. Mai ist eben der 1. Mai, und manche Leute können nicht schlafen, wenn da keine Flaschen fliegen und Mülleimer brennen. Im Juli wird das Szenario ohnehin ein anderes sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.