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„Der Staat gehört angeklagt“

Die drei Fragezeichen

Mehmet Daimagüler,48 Jahre, vertritt als Anwalt im NSU-Prozess die Familien der Nürnberger NSU-Opfer Abdurrahim Özüdoğru und İsmail Yaşar.

1 Herr Daimagüler, vor genau vier Jahren wurde der NSU-Prozess in München eröffnet. Sie sind seitdem dabei. Wie hält man das durch?

Mehmet Daimagüler: Nicht ohne Weiteres. Ich habe nicht vorhergesehen, was auf mich zukommt. Nicht nur die verhandelten Taten, auch die Auftritte von Freunden und Nachbarn von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt haben mich sehr belastet. Es gab Momente, in denen ich mich fragen musste, ob ich noch die nötige Distanz habe.

2 Ist die Dauer von bisher 361 Prozesstagen gerechtfertigt?

Ja. Ein kurzer Prozess ist ein schlechter Prozess. Es gibt fünf Angeklagte, mit vielen Tatvorwürfen. Auch sie haben das Recht, dass man kein Urteil durchpeitscht. Und gerade in so einem Verfahren, wo sehr viele Fragen offen sind, brauchen wir Zeit.

3Welches Urteil, glauben Sie, wird es geben?

Ich denke, das Urteil wird noch im Sommer fallen. So wie ich die Beweise würdige, wird es keine Freisprüche geben. Beate Zschä­pe wird das volle Paket erwarten: lebenslange Haft plus besondere Schwere der Schuld. Wesentliche Fragen aber bleiben unbeantwortet: Wie groß war der NSU wirklich? Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz? Auch der Staat gehört noch auf die Anklagebank. Das könnte ein Fall für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte werden. Interview Konrad Litschko

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