piwik no script img

Im Schatten des Geschäfts

Fußball Werder Bremen steht auf einem Europa League Platz. Fans und Mannschaft schwärmen von Trainer Alexander Nouri als Vater des Erfolgs

„Er hat eine hohe emotionale Intelligenz“

Helmut Hafner, Senatskanzlei

Die Pressekonferenz nach dem 2:0-Erfolg gegen Hertha BSC war schon vorbei, da wollte Werder-Trainer Alexander Nouri noch etwas loswerden. Alle spitzten die Ohren – sollte es in Sachen seiner Vertragsverlängerung, dieser seit Wochen hängenden Partie, doch endlich etwas Neues geben? „Im Viertel feiert eins unserer Fankulturzen­tren heute 25. Geburtstag“, sagte der Trainer. „Herzlichen Glückwunsch ans Eisen.“ Nun ist die Post Punk-Kneipe Eisen am Sielwall-Eck eher ein Gegenentwurf zu den Etablissements, mit denen man die Ausgehgewohnheiten von Bundesliga-Profis normalerweise verbindet – auch wenn zu früheren Zeiten dort durchaus Profis zu Strafgeld-relevanten Uhrzeiten in ausgelassener Stimmung gesichtet worden sein sollen. Tags darauf zeigte Nouri, dass es ihm ernst war mit seiner Grußbotschaft an die Subkultur, schaute persönlich im Eisen vorbei und postete ein Foto davon auf seiner Face­book-Seite.

Eine nette Randgeschichte in Werders atemberaubender Erfolgsstory der letzten Monate, die die Mannschaft nach elf ungeschlagenen Spielen von einem Abstiegsplatz auf einen Europa-League-Platz katapultiert hat – oder? Möglicherweise steckt in ihr auch der Kern dessen, was Nouri seit seinem Amtsantritt im vergangenen Herbst mit dieser Mannschaft bewirkt hat. Das legt zumindest die Danksagung des Eisens auf Facebook nahe, die in Nouri eine Kombination aus „sportlicher und sozialer Kompetenz, Empathie und Menschlichkeit, dem Gespür für kleine Gesten und dem Blick für Aspekte, die immer im Schatten des großen Fußballgeschäfts stehen mögen, jedoch vielleicht um Längen tiefgründiger und nachhaltiger sind“, sieht.

Einer, der sich mit Nouri über diese Aspekte im Schatten des Geschäfts austauscht, ist Helmut Hafner, der im Bremer Rathaus für Religion und Philosophie zuständig ist und Nouri im letzten Jahr als Ehrengast zu der von ihm organisierten Nacht der Jugend eingeladen hat. „Er hat eine hohe emotionale Intelligenz, er weiß um die Kraft von Gefühlen“, sagt Hafner. „Das spüren die Spieler, sie fühlen sich in ihrer Ganzheit von ihm wahrgenommen, nicht nur mit ihren technischen Qualitäten, sondern auch mit ihren Stimmungen.“

Im taktisch-technischen Bereich gibt es heute kaum noch Qualitätsunterschiede zwischen den Bundesliga-Trainern und von der Bedeutung des Teamgedankens sprechen sowieso alle immerfort. „Team bleibt aber ein blasses Wort – wenn man nicht zu jedem einzelnen eine besondere Beziehung aufgebaut hat“, sagt Hafner. „Alex macht das mit viel Empathie und vermittelt jedem eine besondere Wertschätzung.“

So schafft Nouri es, dass sich Alpha-Tiere wie Thomas Delaney, Zatko Junuzovic, Lamine Sané , Niklas Moisander, Claudio Pizarro oder Clemens Fritz nicht in Hahnenkämpfe verstricken, sondern sich in ihren Stärken ergänzen und füreinander rennen. Und er schafft es, dass Max Kruse die Spielfreude und Intuition, die ihn seit seiner Jugend auszeichnet, nach seinem missglückten Abstecher zum VFL Wolfsburg wieder voll auf den Platz bringt und seine Mitspieler mit Energie ansteckt. „Man muss ihm seine Freiheiten lassen“, sagt der verletzte Kapitän Clemens Fritz über Kruse und meint damit wohl auch die Freiheiten abseits des Platzes.

Nouris Glückwünsche ans Eisen zeigen, dass er nicht nur die Gefühlslage der Spieler, sondern auch die der Fans versteht und er sie mitnimmt auf dem weiteren Weg. Der soll nach dem Willen der Anhänger nun in den Euro­papokal führen. Auch wenn das nicht klappt, wird diese Saison ein neues magisches Dreieck hervorgebracht haben: Fans, Nouri, Mannschaft.

Ralf Lorenzen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen