: „Lebendiger, als es oft dargestellt wird“
BEZIEHUNGEN Die Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck (Grüne) über das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland
ist MdB und Sprecherin für Osteuropapolitik ihrer Partei. Seit 2005 sitzt sie im Auswärtigen Ausschuss. Ihr Schwerpunkt sind die Länder Ost- und Südosteuropas
taz: Frau Beck, wie steht es derzeit um die deutsch-russischen Beziehungen?
Marieluise Beck: Diese Beziehungen sind nach wie vor lebendiger, als das aus Moskauer Perspektive oft dargestellt wird. Beispiele dafür sind Städtepartnerschaften sowie der Austausch in den Bereichen Kultur und Wissenschaft. Ich wünschte mir jedoch vor allem mehr Austausch von jungen Menschen, damit die Entfremdung nicht zu groß wird.
Was kann und will Kanzlerin Angela Merkel beim Treffen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi erreichen?
Dahinter steckt der Versuch, eine klare Vorstellung von Putins politischen Zielsetzungen zu bekommen. Will er im Falle Syriens bei der Bekämpfung des Terrorismus konstruktiv mit dem Westen zusammenarbeiten? Oder geht es ihm darum, im Mittleren Osten wieder eine russische Dominanz so wie zu Zeiten der Baath-Regime …
…die es in arabischen Ländern wie im Irak unter Saddam Hussein gab …
…herzustellen?
Und im Falle der Ukraine?
Es gibt viele Anzeichen, dass Putin das Ziel einer schleichenden Annexion des Donbass verfolgt. Das stünde jedoch im Gegensatz zu der vermeintlich konstruktiven Haltung, die als Grundannahme des Minsker Abkommens gilt, das zur Lösung des Ukrainekonflikts führen soll. Das hätte Konsequenzen für die Gültigkeit von Minsk.
Sollte Merkel in Sotschi auch Verstöße gegen die Menschenrechte in Russland ansprechen?
Im Sinne einer wertegebundenen Außenpolitik ist das unverzichtbar. Umso mehr, als die Russische Föderation die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet und auch die Universalität der Menschenrechte anerkannt hat. In Tschetschenien wütet Kadyrow gerade gegen Homosexuelle oder vermeintliche Homosexuelle. Putin hat ihn eingesetzt und trägt die politische Verantwortung.
Welche Perspektiven sehen Sie für das deutsch-russische Verhältnis?
Ein zentraler Punkt muss in das Bewusstsein in Deutschland eindringen: Es darf nie wieder eine Achse Berlin-Moskau geben. Mit dieser Achse verbinden die Länder zwischen den alten Imperien – wie Polen und die baltischen Staaten – katastrophale historische Erfahrungen. Genau aus diesem Grund muss ein starkes Deutschland in der Mitte Europas immer in eine EU-Politik eingebettet sein. Zudem braucht es eine geeinte EU-Außenpolitik. Die wäre dann auch ein Signal an Putin, dass er diese Politik ernst nehmen muss.
Interview Barbara Oertel
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