Berliner Szenen: Rufus und Schwarte
Die Tiere und der Tod
Kürzlich, es war Ostersonntag, war ich bei Freunden in Frohnau zu Besuch. Nachdem ein beeindruckender Schneegraupel vorbei war, fuhren wir zum Bauernhof Lübars im Windschatten des Märkischen Viertels. Mit von der Partie war die 22-jährige Tochter der Freunde und ihr Liebster, die vor einem Jahr dort ihre Hochzeit gefeiert haben.
Sie wollten mir das Schwein zeigen, für das sie eine Patenschaft übernommen haben: Rufus, das Minnesota-Minischwein. Ein Schild am Zaun nannte sie und eine dritte Person als Paten. Wir schauten zu, wie Rufus und ein Schwein, das Schwarte hieß, mit ihren Schnauzen das Stroh im Stall durchpflügten und sich offenbar bester Gesundheit erfreuten. Da waren wir uns bei dem großen Wollschwein, das reglos in einem anderen Stall lag, nicht so sicher. Erst als es eins seiner behaarten Ohren bewegte, waren wir sicher, dass es am Leben war.
Dass der Tod zum Leben gehört wie der Eierlikör ins Osterschokoladenei, wurde uns angesichts der vielen leeren Ziegen- und Kaninchenställe bewusst, an denen das immer gleiche Schild zu lesen war: „An Überfütterung gestorben“. Unser Spaziergang am Tag der Auferstehung glich immer mehr einem Kondolenzbesuch. Plötzlich näherte sich eine junge Frau mit Gummistiefeln, die auf dem Bauernhof arbeitet, und fragte die Tochter meiner Freunde und ihren Mann, auf welche Schule sie gegangen seien. Es stellte sich heraus, dass sie dieselbe Schule besucht hatten. Ich sprach sie auf die überfütterten Tiere an, und sie erzählte von einem Pferd, das nur durch eine 3.000 Euro teure Notoperation vor den Folgen gedankenlosen Fütterns durch die Besucher gerettet werden konnte. Bleibt zu hoffen, dass es auf dem Bauernhof Lübars statt „Wegen Überfüllung geschlossen“ nicht eines Tages heißen muss „Wegen Überfütterung geschlossen“.
Barbara Bollwahn
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