piwik no script img

Duisburger Loveparade geht nun doch vor Gericht

StrafrechtOberlandesgericht Düsseldorf: Planungsfehler waren Ursache für Massenpanik

BERLIN taz| Das Drama bei der Loveparade in Duisburg 2010 wird nun doch in einem Strafprozess aufgearbeitet. Das Oberlandesgericht Duisburg hat jetzt in einem 231 Seiten langen Beschluss die Anklage zugelassen.

Bei der Loveparade im Juli 2010 starben in Duisburg 21 Menschen in einer Massenpanik, mehr als 500 wurden verletzt. Nach langer Prüfung klagte die Staatsanwaltschaft schließlich sechs Mitarbeiter der Duisburger Stadtverwaltung und vier Beschäftigte des Veranstalters wegen fahrlässiger Tötung an. Ihnen werden Planungsfehler vorgeworfen.

Dann lehnte aber das Landgericht Duisburg im März 2016 die Zulassung der Anklage ab. Eine Verurteilung auf Grundlage der vorliegenden Beweismittel sei nicht wahrscheinlich, hieß es. Doch Staatsanwaltschaft und Nebenkläger legten Rechtsmittel ein. Mit Erfolg.

Die OLG-Richter gehen davon aus, dass die „unzureichende Dimensionierung des Zu- und Abgangsystems und die mangelnde Durchflusskapazität“ zu einer „extremen Menschenverdichtung“ im Bereich der Rampe Ost des Veranstaltungsgeländes führte. 21 Besucher seien „aufgrund massiver Brustkompressionen“ erstickt. Dass die Sorgfaltspflichtverletzung der Angeklagten für die Todes- und Verletzungsfälle ursächlich waren, „dränge sich nach dem Ermittlungsgebnis auf“, sagte OLG-Präsidentin Anne-José Paulsen.

Die Anklage hatte sich wesentlich auf ein Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still gestützt. Das Gutachten war vom Landgericht aber als „nicht verwertbar“ abgelehnt worden. Unter anderem habe Still den Eindruck der Befangenheit erweckt, weil er in einer Vorlesung erklärte, die Kapazitätsberechnung bei Großveranstaltungen sei „einfachste Mathematik“, die sogar sein vierjähriger Sohn beherrsche. Damit habe Still, so die OLG-Richter, nicht die Angeklagten herabwürdigen wollen, vielmehr wollte er nur die Aufmerksamkeit seines Uni-Publikums hochhalten.

Der Prozess wird nun vor einer anderen Kammer des Duisburger Landgerichts stattfinden. Der Termin steht noch nicht fest.

Christian Rath

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen