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Ein Wannenbad für 50 Pfennig

Erinnerungen Der 73-jährige Joachim Poweleit hat seine Kindheit in der Hufelandstraße verbracht

Seit 1945 wohne ich mit wenigen Unterbrechungen im Bötzowviertel, davon zwischen 1945 und 1955 in der Hufelandstraße 31 (heute 39). Ich erinnere mich noch gut an den Tabakladen von Paul und Anna Schneider im gleichen Haus, deren Sohn Willy Schneider in der Silvesternacht 1930 von SA-Leuten erschlagen worden war. Für ihre vielen freiwilligen Aufbaustunden beim Enttrümmern bekamen sie Anfang der 50er Jahre eine der neuen Wohnungen in der Stalin-Allee.

Frau Späth betrieb eine kleine Gastwirtschaft, hielt auf dem Hof ein paar Hühner und konnte deshalb ab und an Bratkartoffeln mit Spiegelei ohne Abgabe von Marken anbieten. Frau Hilmer im Seifenladen verkaufte schwarz unter dem Ladentisch ungerösteten grünen Kaffee. Meine kommunistische Großmutter, die gern Bohnenkaffee trank, sich aus Überzeugung in Westberlin keinen kaufen wollte, war wohl eine der besten Kundinnen von Frau Hilmer. Und wenn meine Oma den grünen Kaffee zu Hause in der Pfanne röstete, wussten alle im Haus, woher der stammte.

Einen Kühlschrank hatten damals die wenigsten. Aber gleich um die Ecke bei Bethges konnte man Stangeneis kaufen (eine Viertelstange kostete nach meiner Erinnerung 50 Pfennig). Überhaupt gab es in der Hufe­landstraße in jenen Jahren viele kleine Geschäfte.

Damals wohnten viele Kinder in der Hufelandstraße. Autoverkehr gab es so gut wie nicht. Auf dem Damm wurde „Herr Fischer, Herr Fischer, wie komme ich rüber?“, Fußball und Völkerball gespielt, auf dem Gehweg Hopse, Kante, Triesel (Kreisel, Anm. d. Red.). Das Spielen und Tauschen mit Murmeln oder Bildchen war auch sehr gefragt. Mitunter kam es zu kleinen „Straßenschlachten“ – Hufe gegen Braunsberger (die heutige Hans-Otto-Straße). Spannend waren die Erkundungen auf abgesperrten Ruinengrundstücken in der Hufeland- und anliegenden Straßen sowie im Friedrichshain.

Im Sommer spielte man fast den ganzen Tag – und barfuß – auf der Straße, Spielplätze gab es damals kaum. Jeden Freitag ging es, solange wir keine Wohnung mit Bad hatten, in die Badeanstalt in der Hufelandstraße, der ehemaligen Schokoladenfabrik. 50 Pfennig kostete eine Wanne mit Badetablette.

Zum Autor: Dr. Joachim Poweleit, 73, Schriftsetzer, Historiker, 1992 bis 2014 bei der AG SPAS e. V. unter anderem beruflich als Mieterberater und Quartiersmanager, ehrenamtlich unter anderem im Pro Kiez Bötzowviertel e. V. und Friedensglockengesellschaft Berlin e. V. tätig.

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