: Kunst siegt gegen Birkenstock
Kunst-Freiheit
Die Kunst bleibt frei – jedenfalls vorerst: In erster Instanz gewonnen hat das Hamburger Kunsthaus einen Prozess, den Birkenstock-Geschäftsführer Oliver Reichert wegen eines Fotos seiner sechsjährigen Tochter angestrengt hatte. Deren Gesicht hatte mehrfach und überlebensgroß in einer Ausstellung der Künstlerin Ida Ekblad gehangen, die vom 7. Februar bis 26. März im kleinen, öffentlich geförderten Kunsthaus zu sehen war.
Gefunden hatte Ekblad das Foto, das ihren eigenen Kinderbildern ähnelt, auf einer großen Birkenstock-Leuchtreklame mitten in Berlin. Doch das ungefragte Abfotografieren und Vergrößern des Gesichts verstoße gegen die Persönlichkeitsrechte seiner Tochter, fand Reichert und schickte am 11. März eine Unterlassungsaufforderung. Auf das Gesprächsangebot des Kunsthauses reagierte er mit einer einstweiligen Verfügung samt Gerichtsvollzieher.
Da das Foto „Ida Ekblad“ untertitelt und – explizit mit der täuschenden Ähnlichkeit spielend – zentraler Teil der Schau war, schloss das Haus für zwei Tage. Ekblad ersetzte die Bilder derweil durch eigene Kinderfotos. Die Verfremdungsidee war damit zunichte, die Grundidee des Kunstwerks zerstört.
Dabei war das Gesicht der Reichert-Tochter lange vor der Ausstellung bundesweit in Werbebroschüren, Leuchtreklamen und auf Videos in Birkenstock-Filialen präsent. Die Verarbeitung des Bildes – seit der Pop-Art Appropriation genannt – sei daher legitim, finden Ekblad und Kunsthaus-Chefin Katja Schroeder.
So sah es auch Hamburgs Landgericht, das die einstweilige Verfügung gegen das Kunsthaus am 13. April aufhob. Eine von Reichert zudem beantragte einstweilige Verfügung gegen Ekblad hatte das Gericht gar nicht erst erlassen, die Urheberrechtsklage des Birkenstock-Werbefotografen Anders Overgaard abgewiesen.
Doch Reichert gibt sich nicht zufrieden: Er will Berufung einlegen und vor allem Ekblad zur Verantwortung ziehen, die mit dem Foto „offensiv“ und „in allen Medien“ werbe. Zudem verschließe sich Ekblad, anders als das Kunsthaus, jeder Mediation.
Hier irrt Reichert: Im Telefonat mit der taz.nord hat Ida Ekblad ausdrücklich betont, sie sei jederzeit zum Gespräch bereit. Im Übrigen habe sie dem Kind nicht schaden wollen und das Foto eher als Hommage gemeint. PS
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