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„Wir stehen für grenzenlose Liebe“

Queer Rock Die Band Adirjam gehört zu den angesagtesten Berliner Art Rock Bands. Ihre Musik und Party-Reihe „Zembîl“ im Südblock ist ein Aufruf gegen Homophobie und Rassismus und für freie Liebe

Zu der homophoben Person sage ich aber auch: „Ich bin du, und du bist ich“

Interview Frederik Schindler

taz: Herr Tekîn, Ihre Musik ist nach dem ersten Hören nicht in ein Genre einzuordnen.

Adir J. Tekîn: Darum haben wir es ja auch provisorisch „Cosmopolitan Kurdesque“ genannt: Wir haben sehr viele musikalische Einflüsse. Ich schreibe vor allem auf Zaza- und Kurmanjî-Kurdisch [Anm. d. Red.: Dialekt, der vor allem im Südosten der Türkei, im Nordirak und Nordsyrien gesprochen wird] –, allerdings auch auf Deutsch und Türkisch, Arabisch und Persisch. Ich bin mit vielen Sprachen groß geworden und habe Sprachen studiert. Es ist ein zentraler Teil meines Lebens.

Macht sich diese Stilvielfalt auch im Publikum bemerkbar?

Definitiv. Unser Publikum ist sehr divers. Es sind Menschen, die offen für das sind, was wir transportieren.

Sie treten „für universelle Liebe und für Widerstand gegen unterschiedlichste Formen von Unterdrückung“ ein. Was bedeutet das?

Wir stehen für eine grenzenlose Liebe. Wir sind dagegen, Liebe in irgendwelche Systeme zu stecken. Wir richten uns aber auch gegen Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, Klasse, Behinderung, sexueller Identität oder Alter.

Gerade schwule und lesbische Liebe ist ein großes Thema in Ihren Songs.

Das kommt aus meinem persönlichen Leben heraus. Natürlich schreibe ich auch über Dinge, die mich berühren und nicht direkt betreffen, aber die meisten meiner bisherigen Songs haben mit meiner eigenen Wirklichkeit zu tun.

Diese Thematisierung soll sogar schon zu Coming-outs von Fans gegenüber ihren Familien geführt haben.

Das sind die, die bei unseren Konzerten waren und uns aufgenommen haben, und dann ihren Eltern die Videos gezeigt haben, in denen wir in ihrer Sprache über Homosexualität singen. Was ich in den letzten zwei Jahren gelernt habe, ist, dass auf unseren Konzerten etwas mit den Menschen passiert. Auf der Bühne bekommen wir viel positive Energie zurück.

Gibt es auch negative Reaktionen auf diese Texte?

Wenn wir in Locations spielen, die unausgesprochen heteronormativ sind, ist es auch schon vorgekommen, dass Männer zu den Veranstalter*innen gegangen sind und auf die Inhalte der Texte bezogen gefragt haben, was das soll. Das zeigt aber auch, dass die Leute zuhören. Aber größtenteils bekommen wir positive Reaktionen: Leute, die überrascht sind oder sich bedanken. Und viele Menschen wollen einfach nur die Musik hören, und das ist auch super. Schließlich ist das, was wir machen, Musik und nicht Politik.

In „Sana Ne“ („Was geht’s dich an“) sprechen Sie direkt eine homophobe Person an – und am Ende eine Mutter.

Das Lied ist eine Reaktion auf einen von vielen Morden an Trans*Personen. Ich habe ihn mit Wut im Bauch beim Laufen geschrieben. Der Teil an die Mutter ist ein Aufruf zur Solidarität mit Frauen. Ein Aufforderung, dass sich alle, die von heterosexuellen Männern unterdrückt werden, zusammenschließen sollen. Zu der homophoben Person sage ich aber auch: „Ich bin du, und du bist ich.“ Für mich sind alle Menschen eins. Auch Leute, die gegen irgendetwas sind, wofür ich bin, sind für mich ein Teil von mir. Der Wunsch wäre, dass diese Menschen verstehen, dass auch ich ein Teil von ihnen bin.

In „Keskesor“ („Regenbogen“) singen Sie, dass jahrhundertelang im Nahen Osten niemand etwas gegen Schwule und Lesben hatte, „bis der Weiße kam“. Homophobie ist Ihrer Meinung nach also nur ein Erbe des Kolonialismus?

Ich sage: nicht „nur“. Aber das ist ein Teil von historischen Fakten. Auch Definitionen wurden vor allem aus dem sogenannten Westen importiert: Dinge klar zu benennen, einzuordnen in Kästen und Systeme und so vonein­ander zu trennen. In anderen Gebieten hingegen sind vermeintliche Grenzen eher flexibel und flüssig, oder es gibt sie nicht. Etwa in Indien. Dort haben erst die weißen Kolonialisten Gesetze eingeführt, die Homosexualität unter Strafe stellen – erst später haben sich die Menschen das angeeignet und übernommen. Gleichzeitig sage ich in dem Lied aber auch: „Leute, wacht auf, das gehört nicht zu eurer Urgeschichte. Besinn dich mal darauf zurück, was deine Werte sind und waren“.

Wie erklären Sie sich dann, dass Homophobie dort immer noch ein großes Problem ist?Bei Homophobie geht es unter anderem darum, Menschen zu kontrollieren und die Vormachtstellung des heterosexuellen Cis-Mannes zu schützen. Das ist ein Instrument, das international genutzt werden kann.

Mit Tülin Duman veranstalten Sie im Südblock die Konzert- und Partyreihe „Zembîl“. Was gibt es dort außer Ihrer Band Adirjam zu hören?

Musik, die mediterran und nahöstlich ist und meistens aus Berlin kommt. Oft bin ich selbst Fan von den Musiker*innen, die wir einladen. Wer hier schon mal gespielt hat, möchte gern wiederkommen. Zum Konzept gehören noch Sabuha Salaam, die nach unserem Set orientalischen Tanz aufführt und Garam Masala, die auflegt.

Wie geht es weiter, wann ist mit einem ersten Adirjam-Album zu rechnen?

Wir arbeiten seit letzten Sommer sehr intensiv daran. Aber gut Ding will Weile haben. Unser Sound ist elektronischer geworden. Es wird noch mehr nach Berlin klingen. Textlich geht es aber wohl weiter wie bisher: mit Liebe, Sex und Zärtlichkeit.

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