: Schwärmen erlaubt
Imkerei Eine wesensgerechte Haltung nach Demeter-Richtlinien fördert die Vitalität der Bienen. Doch viele Imker schrecken vor den Auflagen und Kosten zurück
Der Ausbildungsverbund wesensgemäße Bienenhaltung bietet ganztägige Kurse an, in denen sich Interessierte mit den Bienen vertraut machen können. www.mellifera.de/ausbildungsverbund
Imker, die sich für eine Umstellung auf Demeter interessieren, können sich direkt mit Demeter-Imkerberater Michael Weiler in Verbindung setzen: imkerberatung@demeter.de
„Bienengemäß imkern: Das Praxis-Handbuch“ von Günter Friedmann, blv Buchverlag, 2016
Die Zeitung Biene – Mensch –Natur erscheint bei der Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung, Mellifera e. V.
von Katja-Barbara Heine
Ein Bienenleben ist kein Honigschlecken: Sommerbienen leben nur fünf bis sechs Wochen, arbeiten in mehreren „Berufen“ – von Putzbiene bis Wächterbiene – und produzieren während ihres kurzen Daseins gerade mal ein Löffelchen Honig. In den letzten 25 Jahren sind zudem die Lebensbedingungen extrem hart geworden: Monokulturen entziehen den Bienen ihre Nahrungsgrundlage. Giftige Pflanzenschutzmittel machen sie orientierungslos. Und die auf eine Honigmaximierung ausgelegte industrielle Zucht hat die Insekten anfällig für Krankheiten gemacht. Ohne Medikamente geht in vielen Bienenstöcken nichts mehr.
Immer wieder kommt es zu rätselhaften Massensterben, die Experten große Sorgen bereiten. Denn: Ohne Bienen kein Leben. Nur dank ihrer Blütenbestäubung kann ein Großteil unserer Wild- und Nutzpflanzen überhaupt existieren. Würden die Bienen aussterben, wäre das für die Menschen fatal.
Rudolf Steiner hat diese Entwicklung vorhergesehen: In seiner Vortragsreihe „Über das Wesen der Bienen“ sagte er bereits 1923: „Aber nun kommt dieses Kapitel mit der künstlichen Bienenzucht.“ Es werde natürlich manches erleichtert, aber dieses starke Zusammenhalten „einer Bienengeneration, einer Bienenfamilie, das wird dadurch doch auf die Dauer beeinträchtigt werden“. Wie die Sache in 50 oder 80 Jahren aussehen werde, so Steiner damals, müsse abgewartet werden.
Tatsächlich kam Mitte der 1980er Jahre die große Krise: Durch weltweite Bienenimporte gelangte die Varroamilbe aus Asien auch nach Europa. Der Parasit raffte ganze Völker der westlichen Honigbiene hinweg. Es wurde deutlich: Etwas war schiefgelaufen in der Bienenhaltung. Der Ruf nach einer nachhaltigen Zucht wurde laut, Ökoverbände begannen, sich nach Alternativen umzusehen. 1995 verabschiedete der Demeter-Verband seine Richtlinien für einen wesensgerechten Umgang mit den Bienen – die strengsten und anspruchsvollsten Richtlinien in der Branche.
Daran beteiligt war Michael Weiler, Fachberater für ökologische Imkerei: „Eine biodynamische Haltung berücksichtigt das Wesen der Biene“, so der Experte. „Der Imker vermeidet Beeinträchtigungen, lässt den Schwarmtrieb zu und die Völker auf Naturwaben leben.“ Dadurch werde die Vitalität und Widerstandskraft der Völker gefördert. In der konventionellen Haltung hingegen sei „gewissermaßen alles erlaubt, was technisch möglich ist“.
Beispiel Vermehrung: In der Natur findet diese allein über den Schwarmtrieb statt. Ein Volk teilt sich, Schwärme fliegen aus, mit jungen Königinnen gründen sie neue Völker. Ein Demeter-Imker lässt das zu. Konventionelle Bienenzüchter hingegen unterdrücken den Prozess, Königinnen werden künstlich gezüchtet und ihre Flügel beschnitten.
Demeter-Bienen müssen zudem auf ihren eigenen Waben leben können – sowohl im Brutraum als auch in den Honigräumen des Bienenstocks. Künstliche Waben und Absperrgitter sind verboten. Die Varroamilbe darf nur mit organischen Säuren bekämpft werden. Des Weiteren muss der Wintervorrat der Bienen überwiegend aus eigenem Honig bestehen. Und beim Abfüllen darf der Honig maximal auf die Brutnesttemperatur von 35 Grad erwärmt werden.
Strenge Auflagen – die die Imker abschrecken: „Viele trauen sich den Umstieg auf biodynamisch nicht zu, obwohl es jeder Imker mit gutem Willen schaffen würde“, sagt Michael Weiler. „Hinzu kommt, dass eine Zertifizierung nicht billig ist, die Kontrollen und Verbandsbeiträge kosten im Jahr 400 bis 500 Euro. Das ist eine hohe Hürde, wenn man bedenkt, dass die meisten Imker in Deutschland Hobby-Imker sind.“ Bundesweit gibt es heute gut 80 Demeter-zertifizierte Imkereien mit rund 4.000 Völkern. Bei insgesamt 80.000 bis 100.000 Imkern mit etwa einer Million Völkern ist das noch ein sehr kleiner Anteil. Doch Michael Weiler weiß, dass viele Imker bereits Demeter-Ansätze verfolgen, ohne offiziell zertifiziert zu sein.
Auch laut dem Deutschen Imkerbund sind viele der unter „konventionell“ laufenden Imker im Grunde Bioimker, die sich die Zertifizierung nicht leisten können. „Wir unterstützen die alternative Bienenzucht“, sagt Sprecherin Petra Friedrich, „glauben allerdings nicht, dass sie die konventionellen Methoden ersetzen kann.“ Einige der Auflagen seien unrealistisch, etwa dass Bienenstöcke ausschließlich auf ökologischen Flächen aufgestellt werden dürfen: „Bienen haben einen Flugradius von bis zu drei Kilometern. Da ist das unmöglich.“
Das Interesse an der Demeter-Bienenhaltung sei dennoch groß, sagt Michael Weiler. „Namhafte Wissenschaftler plädieren inzwischen dafür, die Imkerei mehr in diese Richtung zu entwickeln, da sie hiervon gesündere Völker und eine robustere Selektionsbasis erwarten.“ Der Experte sieht gute Zukunftschancen für biodynamische Bienen – nicht zuletzt wegen des politischen Potenzials, das die Insekten durch ihre Bedeutung für unser Ökosystem haben. Oder, um es in Rudolf Steiners Worten zu sagen: Bienen, die Nektar aus Blüten saugen, sind „nicht bloß Räuber, sondern bringen zu gleicher Zeit dasjenige, was den Blumen die Möglichkeit gibt, zu leben“.
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