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: Betreten der Ostzone auf eigene Gefahr

„Eine Berliner Romanze“ (DDR 1956, Regie: Gerhard Klein)

Nächste Station ist Westzone“, sagt der BVG-Bedienstete an der Warschauer Brücke, als Uschi zur abfahrbereiten U-Bahn eilt. Es ist das Jahr 1955, der Verkehr zwischen den beiden Teilen Berlins läuft ohne größere Grenzschwierigkeiten. So kommt es auch, dass Uschi den Mann, zu dem sie nun eilt, einfach so kennengelernt hat, sein Name ist Hans. Beziehungsweise: Kennengelernt hat sie erst Lord, der immerzu ein Transistorradio um den Hals trägt, das ist offenkundig der heißeste Scheiß. Mit Lord will sie Riesenrad fahren, aber Lord ist abgelenkt durch ein paar andere Frauen, da steigt Hans zu Uschi in die Kabine, so beginnt eine Romanze mit ein paar Hindernissen, die eher rein menschliche als politische sind.

Uschi ist Lehrling in einem HO-Bekleidungshaus im Osten Berlins. Sie ist hübsch, sie arbeitet auch als Mannequin und gerät auf die Titelseite einer Illustrierten. Hans dagegen ist arbeitslos oder jedenfalls ständig auf Jobsuche, arbeitet mal in der Werkstatt, mal bei einem Abbruchunternehmer, andernorts kommt er gar nicht erst in Frage, schließlich hat er kein Abi­tur. Leicht ist das nicht, das Leben im Westen, der Jobmarkt ist hart, das liegt natürlich am Kapitalismus. „Eine Berliner Romanze“ ist mehr, viel mehr sogar, Romanze und mehr, sehr viel mehr sogar Berlin-Film als ein politisches Traktat. Aber der Klassenstandpunkt wird natürlich markiert: Dies ist ein Defa-Film. Die Westzone betritt, wer aus dem Osten kommt, auf eigene Gefahr. Obwohl natürlich die Kinos, die Lichter der Nacht, die Läden am Ku’damm so schlecht auch wieder nicht sind.

Manchmal, nicht oft, spricht eine Erzählerstimme und klärt solche Sachen. Davon abgesehen jedoch sind die Dialoge leicht, sehr nah am Alltag, niemand spuckt sehr große Töne, ganz klar die Handschrift von Wolfgang Kohlhaase, dem legendären Autor so vieler späterer Defa- und Post-Defa-Filme, von „Berlin – Ecke Schönhauser“ über „Solo Sunny“ bis „Sommer vorm Balkon“. Kohlhaase war noch sehr jung, Mitte zwanzig, es ist nicht sein erster Film, auch nicht der erste mit Gerhard Klein, einem der wichtigen Regisseure der Nachkriegszeit, auch nicht der letzte. „Berlin – Ecke Schönhauser“, der Film über die Halbstarken in Prenzlauer Berg, war die nächste Zusammenarbeit der beiden, ein Jahr später entstanden, auch in den Straßen der Stadt sehr viel mehr als im Studio gedreht: einer der großen Klassiker des DDR-Kinos.

„Eine Berliner Romanze“ ist nicht so bedeutend. Dafür aber auch heute noch lebendig und frisch. Es war das Filmdebüt des späteren Stars Annekathrin Bürger. Sie und Ulrich Thein, denen der Film eine westöstliche Liebe gewährt, lernten sich bei den Dreharbeiten kennen und im real life lieben, heirateten, wurden später geschieden, das Leben, das Kino, es ist auch die Sorte Film, die es einem gar nicht verwunderlich vorkommen lässt, dass da etwas durcheinander gerät. Schließlich gehen sie ja auch im Film ins Kino, im Astoria in Westberlin schauen sie einen amerikanischen Film, Hans kleckert Uschi das Vanilleeis aufs Kleid, daran entzündet sich Wut erst. Dann Liebe.

Die Vorbilder für Klein und für Kohlhaase waren, das spürt man, die italienischen Neorealisten. Ins Freie sollte es gehen, frei bewegt sich der Film darum durch Berlin. Jung sind die Menschen, jung ist die DDR, jung ist die Defa, rein gar nichts ist von der Mauer zu ahnen, von all den Verhärtungen und Brutalitäten, die folgten.

Das gibt dem Film eine schmerzliche Unschuld, wobei die jungen Gesichter von Uschi und Hans anziehend sind, aber sie konkurrieren doch mit den Zeichen, Plakaten, den Häusern, den Kleidern, den Autos und Straßen, die der Film als Zeuge der Zeit in sich aufhebt. Dies, das alles: Man sieht sehr gerne hin. Ekkehard Knörer

Die DVD ist ab rund 13 Euro im Handel erhältlich