piwik no script img

SeniorInnen surfen im Netz

Kommunikation Volkshochschulen in Hamburg und Göttingen bieten Kurse zur Nutzung von Smartphones an. Dort machen auch Ältere mit, um Kontakt zu Kindern und Enkeln zu halten

von Milena Pieper

Sechs Leute sitzen in dem kleinen Unterrichtsraum um einen Tisch herum und tatsächlich ist nur ein „Quoten-Mann“ unter den TeilnehmerInnen. Thomas Lange gibt hier Smartphone-Kurse der Volkshochschule Hamburg. Es geht um das Android-Smartphone. Eine ältere Dame ist mit einem Gerät gekommen, das sie noch nie benutzt hat, die Schutzfolie ist noch auf dem Gerät und eine Simkarte hat sie noch nicht eingesetzt. Ihr altes Klapphandy hat sie auch dabei. Andere kennen sich schon besser mit ihren Smartphones aus.

Vergleichbare Kurse zum Umgang mit dem Smartphone gibt es inzwischen an fast jeder Volkshochschule. Mal sind sie speziell für SeniorInnen, mal ohne Alterseinschränkung. Die Nachfrage ist beispielsweise in Hamburg und in Göttingen recht groß.

Thomas Lange, der seit 18 Jahren in der Erwachsenenbildung der Volkshochschule tätig ist, beginnt damit, wichtige Grundeinstellungen und Begrifflichkeiten zu erklären. Es geht zunächst um das Laden des Akkus, die Kamera, Lautsprecher und Kopfhörer. Lange erklärt, was man zur „Telefonie“ und zum SMS Schreiben wissen muss, doch das Internet interessiert seine Zuhörer viel mehr. „Telefonieren tue ich eigentlich relativ wenig mit dem Teil“, sagt eine Frau. Sie sitzt ganz vorn. Kurzerhand schließt Kursleiter Lange ihr Handy an einen großen Bildschirm an, damit sie Anwendungen ausprobieren und den anderen zeigen kann. Alle gucken mit.

Einfach im Café einloggen

Wichtige Themen sind auch Schutzfunktionen wie der Flugmodus und Datenschutz. Auch der Internetzugang im Urlaub interessiert die TeilnehmerInnen. Thomas Lange erklärt, wie WLAN funktioniert und gibt den Smartphone-SchülerInnen die Aufgabe, sich zur Übung mal in einem Café oder Restaurant in das Netzwerk einzuloggen. „Damit ihr Sicherheit bekommt, ist es gut, wenn ihr ein paar Dinge ausprobiert“, sagt er.

Lange duzt seine Schützlinge. Er ist froh, dass es im Kurs heute so harmonisch zugeht. „Das gab’s auch schon anders“, sagt er. Manchmal seien die Kursbesucher sehr auf ihre eigenen, ganz speziellen Fragen fixiert. Doch heute sie einander. Sie probieren alles an ihren eigenen Geräten aus, einige notieren sich Begriffe. Zwischendurch tutet und piept es.

„Die Volkshochschule Hamburg hat bereits vor mehreren Jahren die ersten Smartphone-Kurse angeboten“, sagt Lange. „Sie war damit sehr innovativ.“ Im vergangenen Jahr gab es 74 Smartphone- und Tablet-Kurse mit 496 Personen. 2017 waren es bislang 23 Veranstaltungen mit 175 TeilnehmerInnen. Auch wenn Langes Kurse nicht speziell für SeniorInnen sind, schreiben sich immer häufiger ältere Leute ein.

Typischerweise seien es mehr Frauen als Männer, denn die Frauen wollten sich mehr mit dem Smartphone beschäftigen, während die Männer eher für sich bastelten. Die TeilnehmerInnen sind meist zwischen 40 und 75 Jahre alt. „Wir hatten vor ewig langer Zeit auch so reine Seniorenkurse. Das ist aber eigentlich Quatsch, weil dann die Frage ist, wann man Senior ist“, sagt Lange. „Heute ist das alles zum Glück recht offen, es zählt nur das Interesse an der Technik!“ Die TeilnehmerInnen könnten durch das Smartphone noch mal ganz anders am aktuellen Leben und Geschehen teilhaben. „Nach oben gibt es beim Alter keine Grenze.“

Das sieht auch Gunter Ullmann so: „Natürlich macht das in jedem Alter Sinn, warum denn nicht?“ Ullmann gibt im April das erste Mal Smartphone-Kurse an der Volkshochschule Göttingen. Er selbst ist 80 Jahre alt und bietet seit 20 Jahren Handy- und Computerkurse an. Das Konzept in Göttingen ist etwas anders: Der Kursleiter macht alle seine Kurse ausschließlich für SeniorInnen. Von denen weiß er nämlich, dass es ihnen bei jungen Dozenten oft zu schnell geht. „Die kriegen da in einer Affengeschwindigkeit das Wissen um die Ohren gepfeffert und hinterher haben sie nichts behalten.“

Eigentlich seien die Kurse für TeilnehmerInnen über 50 gedacht. In der Praxis ist es allerdings in Göttingen ähnlich wie in Hamburg: Das Altersspektrum schwankt, oft sind Jüngere um die 40 dabei.

Ullmann hat schon erlebt, dass ältere Leute, die eigentlich gar keine Lust auf einen Handy-Kurs haben, von Verwandten geschickt werden. Hinterher seien sie jedoch meist zufrieden. Er glaubt, dass es das auch bei den Smartphone-Kursen geben wird, denn einige ältere Leute bekommen die Geräte von Kindern oder Enkelkindern geschenkt.

Von speziellen Geräten für Senioren hält der Kursleiter nichts. Die hätten zu wenig Funktionen

Von speziellen Senioren-Smartphones hält Ullmann, der Zuhause ein Android- und ein iPhone hat, nichts. „Die sind doch nur für Doofis gemacht und haben wenige Funktionen“, sagt er. Die KursteilnehmerInnen wollten jedoch das volle Programm.

Beim Smartphone-Kurs müssen die Kursleiter viel Einzelunterricht geben und den Schülern die Anwendungen an ihren eigenen Geräten zeigen. Thomas Lange hat bereits Erfahrung damit. In seinen Stunden sind die Anteile der Grundeinführung und individueller Fragen etwa gleich groß. „Jeder hat einen Wunsch frei“, sagt er zu Beginn. „Ich verspreche aber nicht, dass hinterher jeder ein Experte ist!“ „Och nicht?“, sagt eine ältere Teilnehmerin. „Mensch! Das dachte ich aber.“ Ihre Sitznachbarin weiß schon etwas besser Bescheid. Zwischendurch beugt sie sich zu ihr herüber, um zu helfen.

Das schwierige bei den Android-Geräten sei, dass sie sich alle ein wenig unterscheiden, sagt Lange. Wenn einer der TeilnehmerInnen zu verzweifeln droht, ist Lange sofort zur Stelle. „Ganz entspannt bleiben, ganz ruhig!“, sagt er immer wieder. „Wenn gar nichts mehr geht, macht das Handy einfach einmal aus und startet von vorne.“

Die Teilnehmerzahl ist bei dem dreistündigen Abendkurs auf sechs begrenzt. Es gibt auch Kurse mit zwei oder vier Terminen. „Ich habe festgestellt, man muss einfach viel spielen und probieren“, sagt der Mann im Kurs. Thomas Lange weiß, dass viele sich das am Anfang nicht trauen: „Ältere Menschen haben mehr Angst, etwas falsch zu machen. Sie probieren weniger als junge Leute.“ Deshalb seien zu Vertiefung für Senioren die Mehr-Abend-Kurse gut.

Die Dame mit dem nagelneuen Smartphone hat sich bereits für den nächsten Kurs angemeldet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen