piwik no script img

Zweite Amtszeit sorgt für Chaos

Paraguay Präsident Horacio Cartes will 2018 erneut antreten. Das aber verbietet die Verfassung. Bei einer Demonstration erschoss die Polizei einen jungen Oppositionellen

Aus Buenos Aires Jürgen Vogt

Seit Wochen tobt in Paraguay ein Streit um eine Verfassungsänderung. Präsident Horacio Cartes strebt eine zweite Amtszeit an, die Verfassung aber verbietet jegliche Wiederwahl eines Präsidenten. Auch nicht nach einmal Aussetzten darf sich ein Expräsident erneut zur Wahl stellen.

„Cartes, du Gauner“ – mit diesen Rufen zogen die Gegner einer Verfassungsänderung am Freitag zunächst friedlich vor den Kongress in der Hauptstadt Asunción. Dann eskalierte die Situation: Das Kongressgebäude brannte, ein junger Mann von der Opposition wurde erschossen.

Cartes Amtszeit endet im kommenden Jahr. Er und seine regierende rechte Colorado-Partei wollen aber weiter regieren. Zum zweiten Mal antreten möchte auch Fernando Lugo. Der frühere Bischof war 2008 bis 2012 mit Unterstützung eines breiten Parteienbündnisses Staatspräsident. Wichtigster Bündnispartner war damals die Partido Liberal Radical Auténtico (PLRA), nach den Colorados die zweitgrößte Partei des Landes, die ihn jedoch 2012 mit einem kalten Putsch wieder aus dem Amt hebelte. Sowohl Lugos Partei Frente Guasú als auch ein kleiner Teil der PLRA unterstützen eine zweite Kandidatur. All das wird vom größeren Teil der PLRA abgelehnt. Ein eigener Kandidat hätte bei der Präsidentschaftswahl 2018 weitaus bessere Chancen, wenn Horacio Cartes und Fernando Lugo nicht anträten.

Um die Verfassung zu ändern, muss ein Referendum durchgeführt werden, denn nach der Militärdiktatur von Alfredo Stroess­ner (1954–1989) wurde das Verbot einer Wiederwahl in der Verfassung von 1992 ausdrücklich festgeschrieben. Um ein Referendum auf den Weg zu bringen, muss der Kongress zuvor einem Verfassungszusatz zustimmen. Um den fraglichen Paragrafen im Senat überhaupt zur Abstimmung bringen zu können, änderten die Senatoren der Dreier-Allianz zunächst die Geschäftsordnung des Senats. Am Freitag wurde auf einer geheimen Sitzung für den Verfassungszusatz gestimmt.

Demonstranten verwüsteten ­Büroräume und legten Feuer

Die Nachricht von der Sitzung sickerte jedoch durch, die Gegner riefen zum Protest vor dem Kongress auf. Nach ersten gewaltsamen Rangeleien zogen sich die Sicherheitskräfte komplett zurück. Demonstranten drangen ins Gebäude ein, verwüsteten Büroräume und legten Feuer. Wahllos nahm die Polizei über 200 Personen vorläufig fest.

Später drang eine Polizeieinheit ohne richterlichen Beschluss in die PLRA-Zentrale ein. Dabei wurde der 25-jährige Mann mit neun Gewehrkugeln erschossen. Cartes entließ noch am Samstag Innenminister Tadeo Rojas und Polizeichef Críspulo Sotelo. Die Senatsentscheidung ist weiter gültig. Jetzt muss das Abgeordnetenhaus abstimmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen