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Die Besucher werden gebeten, den Menschen nicht zu reizen

Homo Sapiens 1924 veröffentlichte der Brite David Garnett seinen Roman über einen Mann, der einen Zookäfig bezieht. Jetzt ist er auf Deutsch erschienen

Im Jahr 1969 schrieb der Ästhetikprofessor Bazon Brock dem Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek einen Brief: Da die Zoos die Vielfalt und Entwicklung der Arten zeigen wollten, dürfe der Mensch darin nicht fehlen. Deswegen bitte er, Bazon Brock, nun um einen Käfig, mit einem Wärter, der ihn verpflegen und gegebenenfalls vor dem Ansturm der Besucher schützen solle. Bernhard Grzimek hat Brock nie geantwortet.

Im Jahr 2008 veröffentlichte der Schriftsteller Robert Menasse eine Geschichte über das „Ende des Hungerwinters“. Es geht darin um das Überleben von 200 Amsterdamer Juden im Zoo. Erzählt wurde sie von einer Familie, die von den Tierpflegern 1944 in einem der Menschenaffenkäfige versteckt wurde. Einmal gelesen, schrieb eine Rezensentin, „kann man diese Geschichte nicht mehr vergessen. Und sich nur wundern, warum ein solch singulärer Stoff nicht schon längst bekannt ist und quasi auf den österreichischen Schriftsteller mit Zweitwohnsitz Amsterdam gewartet hat.“

Im Jahr 2017 erscheint auf Deutsch ein Roman von David Garnett, „Der Mann im Zoo“ betitelt, in dem ein Mann namens John Cromartie sich im Zoo mit seiner Freundin Josephine streitet. Sie wirft ihm seine überholten romantischen Ansichten vor und meint, er gehöre selbst in den Zoo. Der Mann bittet am nächsten Tag brieflich den Zoodirektor um einen Käfig im Affenhaus. Der Zoo-Aufsichtsrat kommt seiner Bitte, anders als Grzimek, nach, weil er sich erhebliche Mehreinnahmen von einem Menschenmann im Zoo verspricht. Der Besucherandrang ist wie erwartet enorm.

Man könnte nun vermuten, Garnett habe die erwähnten Zoogeschichten gekannt, aber er veröffentlichte seinen Roman bereits 1924. Es geht ihm dabei um das, was der Mann im Käfig und seine Freundin aus der Situation machen. Anfangs will sie nie wieder etwas mit ihm zu tun haben, findet sich aber zu egoistisch – und traut sich dann doch in die Nähe seines Käfigs, wo sie sich in die letzte Reihe stellt und ihn heimlich beobachtet. Er aber liest und scheint die Besucher nicht zu beachten, die ihn betrachten. An seinem Käfig ist zu lesen: „Homo sapiens, männlich. Die Besucher werden gebeten, den Menschen nicht durch persönliche Bemerkungen zu reizen.“

Johns Käfig hat einen abgeteilten Raum, in den er sich zurückziehen kann, was er aber nur Abends tut. Wenn der letzte Besucher gegangen ist, kann der Mann im Zoo spazieren gehen. Die Tiere ignoriert er zunächst, aber dann rät ihm die Zooleitung, sich mit einem Tier anzufreunden. Er entscheidet sich für einen Karakal (ein kleiner asiatischer Luchs).

Die beiden sind bald so vertraut, dass der Karakal im Käfig des Mannes einzieht. Auch das Verhältnis zu Josephine wird wieder enger. Sie überlegt schließlich, sich mit ihm zu verloben, wenn er den Käfig verlässt. Zuletzt ist sie sogar bereit, ihn zu heiraten und zu ihm in den Käfig zu ziehen.

Der liebevoll ausgearbeitete Plot wirkt glaubhaft, wenn man die viktorianischen Skrupel des jungen Mädchens in Rechnung stellt. Sie werden von Garnett auch nicht dostojewskimäßig ausgewalzt, sondern zügig erzählt, gleichsam als Anleitung zum Handeln – vor und hinter den Käfiggittern.

In allen drei Geschichten über Menschen, die zu den Affen im Zoo ziehen, ziehen wollen oder ziehen müssen, kommen die Menschenaffen übrigens buchstäblich nur am Rand vor. Helmut Höge

David Garnett: „Mann im Zoo“. Deutsch v. M. Hummitzsch. Dörlemann, Zürich 2017, 160 Seiten, 19,90 Euro

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