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Die Hochschulgalerie als Schutzraum für junge Künstler

RUHM Mit eigenen Ausstellungen geben Kunsthochschulen ihre Studierenden die Chance, bekannt zu werden. Allein von Kunst kann später kaum einer leben

Ein großer weißer Raum, in der Mitte eine Installation. Die Besucher der Vernissage nehmen die Objekte in Betracht, lauschen den Worten des Kurators, nippen an ihren Sektgläsern und gehen nach der künstlerischen Einführung zum Smalltalk über, über den Urlaub, gemeinsame Bekannte oder geschäftliche Dinge. So laufen Ausstellungseröffnungen häufig ab. Nicht so in der Galerie der Hochschule für bildende Künste Braunschweig. Hier drängeln sich Studierende und Lehrende mit der Bierflasche in der Hand bei der Vernissage. Hier steht die Kunst im Mittelpunkt der Gespräche, es wird über das Gesehene diskutiert und sich über eigene aktuelle Projekte ausgetauscht.

Auch Tugba Simsek ist zur Ausstellungseröffnung gekommen. Die 30-Jährige hat ihr Studium mit dem Schwerpunkt Bildhauerei und Zeichnung an der Braunschweiger Hochschule abgeschlossen. 2015 hat sie selbst an der Ausstellung „Nachts sind alle Katzen grau“ in der hochschuleigenen Galerie mitgewirkt, von der Konzeption über die Realisierung der eigenen Werke bis zur Präsentation von Werken zum Thema Kunst und Design. „Wir waren eine Gruppe von Studierenden aus unterschiedlichen Fachrichtungen und haben intensiv aus verschiedenen Perspektiven diskutiert“, erinnert sich Simsek. Dadurch habe sie von anderen gelernt. „Es war viel Arbeit, denn es ging auch um praktische Sachen wie das Schreiben von Anträgen für die Finanzierung eines Minikatalogs oder die Organisation von Essen und Trinken für die Eröffnung, aber es hat mir viel gebracht und die Reaktionen der Besucher waren sehr positiv.“

Fast alle der 21 Kunsthochschulen in Deutschland haben eigene Galerien. Einige werden von Studierenden in eigener Regie geleitet, meistens wird das Programm von Wissenschaftlern zusammengestellt. Manche stellen dort bekannte Künstler aus, als Anregung für die Studierenden und um die Öffentlichkeit in die Hochschule zu holen. Andere bieten bevorzugt ihren Professoren eine Möglichkeit, dort auszustellen. In den meisten Hochschulgalerien stehen die Studierenden und Absolventen im Mittelpunkt. „Das ist in gewisser Weise ein Schutzraum. Es geht nicht wie in privaten Galerien um das Verkaufen, sondern um das Entwickeln und Verwirklichen eigener künstlerischer Vorstellungen“, sagt Nike Bätzner, Professorin für Kunstgeschichte an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Hochschulgalerien.

Kunstschulen kooperieren

Der hat sich vor einem Jahr gegründet und will die Zusammenarbeit zwischen den Kunsthochschulen fördern. Dazu gehört, dass kürzlich erstmals Studierende mehrerer Kunsthochschulen ihre Werke unter einem Oberthema in den Hochschulgalerien in Bremen und Halle ausstellten. „Gerade in der Endphase des Studiums ist das Präsentieren in den letzten Jahren wichtiger geworden. Wie organisiert man eine Ausstellung, wie vermittelt man Kunst in Führungen, wie hält man ein Kolloquium ab. Das darf aber auch nicht überhand nehmen – am Studienanfang geht es um das Schaffen von Kunst“, sagt Bätzner.

Die Galerien der Hochschulen sind nicht der einzige Versuch, junge Künstler einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Jährlich organisieren Kunsthochschulen Rundgänge, bei denen Studierende einzelne Werke vorstellen und teilweise zum Kauf anbieten. Außerdem werden Studienarbeiten auch gern an anderen Hochschulorten gezeigt, in Mensen, Foyers, Bibliotheken. Die Hoffnung: Galeristen und Kunstsammler entdecken hier Talente und künftige Stars.

Eine Hoffnung, die Andy Kassier nicht teilt. Er studiert im neunten Semester an der Kunsthochschule für Medien (KHM) Köln und steht kurz vor dem Abschluss. „Von außen kommen nur wenige Leute in die Hochschule, um sich Arbeiten anzusehen. Deswegen ist es wichtig, woanders auszustellen“, sagt Kassier. Erstmals zeigt ein Museum – das Kunstmuseum Celle – Arbeiten von ihm und weiteren 13 Studierenden der KHM zum Thema „Licht“.

„In einer Institution hat man mehr konzeptionelle Freiheiten als in einer privaten Galerie, wo man seine Arbeit dem Markt anpasst. Eine Ausstellung im Museum ist auch gut fürs Image. Ums Verkaufen geht es hier nicht, wenn es auch schön wäre, wenn etwas für eine öffentliche Sammlung angekauft würde“, so Kassier. Er muss meist Geld für seine Ausstellungen mitbringen: Die in Celle präsentierten Objekte, die sich ironisch mit dem Starkult auseinandersetzen, haben ihn rund 5.000 Euro gekostet. Den Besuchern bietet Kassier künstlerisch verfremdete Merchandising-Artikel mit seinem Konterfei an – damit wieder etwas Geld in die Kasse kommt.

Wie Kassier arbeitet auch Simsek nebenher, um den Lebensunterhalt und die Kunst zu finanzieren. Bätzner: „Bei den Absolventen teilt es sich nach einigen Jahren: Entweder sie schmeißen ganz hin und machen etwas ganz anderes oder sie schlagen sich mit Stipendien, Ausstellungen und Verkäufen und permanenten Nebenjobs durch. Alleine von seiner Kunst kann kaum einer leben.“ Dem Interesse am Kunststudium tut dies keinen Abbruch: Allein die Bremer Hochschule der Künste zählte zum Wintersemester auf ihre 254 Plätze für Erstsemester 2.038 Bewerber, Tendenz steigend. Joachim Göres

Die Lichtkunstwerke der Kölner Studierenden sind noch bis zum 6. 3. im Kunstmuseum Celle zu sehen. Führung: 5. 3., 11.30 Uhr

Hochschule für bildende Künste Hamburg, Lerchenfeld 2: 7. 4.–16. 4. „We take no responsibility“ – Gruppenausstellung mit Werken von Künstlern und Künstlerinnen aus Hamburg und Kopenhagen. Eröffnung am 6. 4. um 19 Uhr

Hochschule für bildende Künste Braunschweig, Johannes-Selenka-Platz 1, 5. 4.–25. 4.: „Im(mutable)“ – Asta Gröting/Sean Snyder. Eröffnung: 4. 4.,19 Uhr

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