Politischer Sprengstoff: soziale Lage

Bericht Der offizielle Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung soll im Frühjahr erscheinen und lässt auf sich warten

BERLIN taz | Eins ist klar – er wird umfangreicher als seine Vorgänger, und die Diskussion um ihn dürfte heiß werden. Der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung – nicht zu verwechseln mit dem aktuellen unabhängigen Armutsbericht – soll im Frühjahr von der Bundesregierung beschlossen werden. Nur wann, ist offen.

In jeder Legislaturperiode veröffentlicht die Bundesregierung eine Bestandsaufnahme der sozialen Lage in Deutschland. Das federführende Ministerium für Arbeit und Soziales sagte auf Anfrage der taz, der aktuelle Bericht befinde sich noch in der Koordinierung mit dem Kanzleramt. Danach geht er in die Ressortabstimmung, und erst wenn alle Ministerien ihn abgenickt oder Stellungnahmen abgegeben haben, kann er verabschiedet werden.

Der 655 Seiten starke erste Entwurf hatte im Dezember bereits für Aufregung gesorgt. Denn drei Passagen waren gestrichen oder entschärft worden. Etwa jene, in der vor einer „Krise der Repräsentation“ gewarnt wird. „Personen mit geringerem Einkommen verzichten auf politische Partizipation, weil sie Erfahrungen machen, dass sich die Politik in ihren Entscheidungen weniger an ihnen orientiert.“ Dieser Satz leuchtet zwar ein, politisch war er offenbar nicht opportun.

Welches Ministerium die Streichung veranlasst hatte, ist unklar, man munkelt, das Kanzleramt selbst habe den Rotstift angesetzt. Das von Andrea Nahles (SPD) geführte Arbeitsministerium, welches die erste Fassung verschickte hatte, wollte sich dazu nicht äußern. Es sei normal und üblich, dass Entwürfe verändert würden, sagte eine Sprecherin.

Dagegen wendet der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion Matthias W. Birkwald ein: „Wenn eine politische Bewertung, die vom Sozialministerium formuliert wird, von anderer Seite negiert und gestrichen wird, ist das ein Weg, die Wirklichkeit zu verschleiern.“ Birkwald fordert die Politiker auf, Armut nicht zu relativieren.

Man darf gespannt sein, was in der Endfassung steht, die im Parlament und bei Anhörungen besprochen wird. Birkwald fordert, dass der Bericht so rechtzeitig fertig wird, dass er noch abschließend vor der Bundestagswahl diskutiert werden kann. „Wir sind spät dran diesmal.“ Die Debatte könnte mitten im Wahlkampf und angesichts einer von Martin Schulz befeuerten Diskussion um soziale Gerechtigkeit hitzig werden.

Anna Lehmann