piwik no script img

„Bei uns ist Absurdistan nie fern“

Ambient „‚Chill Out, World!‘“ schien uns als politisches Statement passend“: The Orb spielen am Sonntag im „Gretchen“

Thomas Fehlmann und Alex Paterson (r.) Foto: Max Zerrahn/Kompakt

The Orb aus London und Berlin sind eine Legende der elektronischen Tanzmusik. Ambient-House-Pioniere, um genau zu sein. „The Orb’s Adventures Beyond the Ultraworld“ (1991) ist ein Klassiker dieses Stils, die Band um das einzige ständige Mitglied Alex Paterson zeigte bereits damals, welch tolle Werke mit Sampling möglich sind. Seit damals ist auch Thomas Fehlmann, Palais-Schaumburg-Mitgründer und Berliner Techno-Tausendsassa, bei The Orb an Bord.

taz: Herr Fehlmann, The Orb wieder live in Berlin! Wann sind Sie zuletzt mit Alex Paterson hier aufgetreten?

Thomas Fehlmann: Live haben wir vor einiger Zeit schon mal im Gretchen gespielt – nun spielen wir am Sonntag wieder dort. Zu Neujahr 2017 haben Alex Paterson und ich noch im Berghain zusammen aufgelegt. Wir haben in der großen Halle Chillout-Musik gespielt. Matratzen lagen im Raum und Blumen waren als Deko verteilt, es war eine sehr geruhsame Atmosphäre. Es ist supergut angenommen worden. Die Besucher schalten auch gerne mal einen Gang runter.

Chill Out“ ist das richtige Stichwort. „COW/Chill Out, World!“ heißt das jüngste Album von Ihnen, das es jetzt auch als Remix-Werk gibt. „Chillout“ kennt man zum einen als Genrebegriff, zum anderem von der auch mit Alex Paterson assoziierten Band The KLF – und „Cow“ erinnert an Pink Floyd. Sind das Referenzspiele?

„Chill Out, World!“ schien uns als politisches Statement ganz passend. Dass sich aus diesem Titel das Akronym „Cow“ ergab und es bei Pink Floyd auch schon mal berühmte Kühe gab, kam uns gelegen. Wir mögen solche Spielereien, denn im The-Orb-Kosmos ist Absurdistan nie fern.

Mit „The Orb’s Adventures Beyond the Ultraworld“ haben Sie Anfang der Neunziger einen Klassiker des Ambient House aufgenommen. Was für eine Szene war das in London?

Ich habe Alex Paterson und Jimmy Cauty (The KLF) kennengelernt und wir sind viel zusammen ausgegangen. Es ging uns aber auch um die Momente vor und nach den Clubbesuchen, in denen wir zusammen abhingen. Das war ein Zeitraum, für den es keine spezielle Musik gab. Also haben wir versucht, für diese Momente spezifische Musik zu kreieren. Wir haben natürlich Sachen wie Brian Eno gehört, aber es ging darum, etwas Zeitgenössisches für diese Augenblicke zu schaffen.

Haben Sie da als Bindeglied fungiert?

Für Alex und Jimmy war ich der „Berlin-Techno-Mann“ – ich brachte diesen Einfluss der neuen elektronischen Kultur mit. Aber The Orb wollten eigentlich verschiedene musikalische Welten verbinden, so war unser aller Musikverständnis. Bei uns spielten zum Beispiel Minimal-Music-Künstler wie Steve Reich genauso eine Rolle wie House-Pionier Frankie Knuckles.

Sie haben mit The Orb rekordverdächtige Endlos-Tracks aufgenommen. Stehen Sie eigentlich mit dem Songepos „Blue Room“ im Guinnessbuch der Rekorde?

Ja! „Blue Room“ hat es als über 40-minütiges Stück in die Charts geschafft, das gab es nie zuvor. Denkwürdig war auch der Auftritt bei Top Of The Pops: Alex Paterson und unser Bandkollege Kris Weston sind damals zu der Sendung eingeladen worden – aber anstatt zu Playbackmusik aufzutreten, haben sie eine Partie Schach gegeneinander gespielt.

Wurde das ausgestrahlt?

Natürlich nicht in voller Länge.

Nun ist „Chill Out, World!“ das 14. Album von The Orb, wenn ich richtig gezählt habe. Ist es nach all der Zeit einfacher oder schwieriger, mit zufriedenstellendem Ergebnis Musik zusammen zu machen?

Ich glaube, es ist schon das 16. Album. Aber die Zahl ist auch nicht so entscheidend. Das Wichtigste ist, dass The Orb nach wie vor ein kunterbunter, kreativer, vorwärts strebender Schaffenskosmos ist. Ich habe den Eindruck, wir sind mittlerweile so eingespielt, dass das gemeinsame Musikmachen einfacher und selbstverständlicher wird.

INTERVIEWJENS UTHOFF

The Orb, Sonntag, 5. März,20 Uhr, Gretchen, Obentrautstr. 19–20, 18/22 Euro; The Orb: „COW/Chill Out, World!“ (Kompakt)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen