Kommentar Handelskammer-Wahl: Die Kammer muss wirtschaften lernen

Bisher haben Hamburger Regierungen vor der mächtigen Handelskammer gekuscht. Mit der Abschaffung der Zwangsbeiträge ist damit Schluss.

Saal der Handelskammer Hamburg

Noch hat sie Geld für große Feste: Handelskammer Hamburg. Foto: dpa

HAMBURG taz | Es ist das Ende der Handelskammer, wie wir sie kennen. Und das ist gut so. Wenn die Sieger der Kammerwahl in Hamburg Ernst machen und die Zwangsbeiträge abschaffen, ist das traditionelle Geschäftsmodell der Kammer im Eimer. Und zwar, das ist schon abzusehen, nicht nur in Hamburg. Denn Unternehmer im ganzen Land werden gegen ein überkommenes System aufstehen, von dem sie sich eben bei Weitem nicht immer repräsentiert sehen.

Wie auch? Es ist eine irrwitzige Vorstellung, „die Wirtschaft“ hätte auch nur überwiegend gemeinsame Interessen. Was soll ein kleines Startup mit einem Energieversorger verbinden? Und was den Atomkonzern mit einer Bürgerwindpark-Genossenschaft? Sie alle haben partikulare Interessen. Und die können sie bei Parlamentswahlen artikulieren – und, sei’s drum, dazwischen mit ihren Lobbyisten, die in den Ministerien rumlungern. Aber eine Lobbyvertretung für alle, die Wirtschaft treiben, ist absurd.

So etwas vorzugaukeln, ist unredlich – und gefährlich für die Demokratie. Die Hamburger Handelskammer hat wie keine andere Wirtschaftsvertretung regelmäßig ihre Stellung missbraucht, um die großen Linien der Politik zu beeinflussen. Das ist sogar gerichtsnotorisch. Und Regierungen gleich welcher Couleur haben vor ihr ge­kuscht. Im Ergebnis waren es meist die Interessen der großen Unternehmen, denen die Kammer Geltung verschafft hat.

Mächtigstes Mittel der Kammer dazu sind Studien, Gutachten und Projektskizzen, für die die Kammer Millionen von Euro nach Gusto ausgibt. Damit verzerrt sie die politische Debatte in der Stadt, weil kein anderer Akteur über ähnliche Mittel verfügen kann – oft nicht mal die Stadt selbst.

Deswegen ist es gut, wenn jetzt zumindest die Finanzierung der Kammer auf neue Füße gestellt wird. Warum sollte die Kammer nicht von freiwilligen Beiträgen leben, weil sie Leistungen erbringt, für die es eine Nachfrage gibt? Warum sollte sie nicht Projektmittel einwerben? Es klingt verrückt, aber vielleicht muss die Handelskammer am Ende wirklich wirtschaften lernen.

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