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Was die Nachbarn denken

Reaktionen Die Revolution in Hamburg sorgt auch für Stirnrunzeln bei bislang befreundeten Kammern in der Nachbarschaft wie etwa der in Lübeck. Von Umdenken allerdings ist keine Spur zu sehen

Im Umgang unter befreundeten Nachbarn ist Zurückhaltung angesagt. Die Entwicklungen in der Hamburger Handelskammer würden in der Industrie- und Handelskammer Lübeck aufmerksam verfolgt, räumt deren Sprecher Can Özren ein: „Aber wir kommentieren das nicht.“ Eng ist die Zusammenarbeit der beiden Kammern, gemeinsame Themen gibt es reichlich: Hafenpolitik, Ostseepolitik, Verkehr und Logistik, Energiewende – und natürlich auch das gemeinsame hanseatische Erbe. Und soll unter der neuen Führung der Hamburger Kammerrebellen auch weiter gepflegt werden, hoffen die Lübecker.

„Wir werden mit der Hamburger Handelskammer weiterhin zusammenarbeiten“, versichert Özren noch. Und weil er hofft, dass der große Nachbar im Stadtstaat an der Elbe das auch will, fügt er mahnend hinzu: „Wir erwarten bei Veränderungen Augenmaß und eine enge Abstimmung im gemeinsamen Wirtschaftsraum.“

Und den definierten beide Kammern spätestens 2011 mit einem 28-seitigen gemeinsamen Positionspapier voller „Handlungsempfehlungen“ zur Entwicklung des Wirtschaftsraumes zwischen Hamburg und Dänemark. Leitprojekte sind die Fehmarnbelt-Querung und die „Wachstumsachse A1“ – also die Asphaltpiste von der dänisch-schwedischen Öresund-Region bis ins Ruhrgebiet. „Autobahnnahe Standorte stellen einen ökonomischen und einen ökologischen Wettbewerbsvorteil dar“, heißt es in der Studie, weil geringerer Treibstoffverbrauch Kosten und Schadstoffausstoß mindere. Deshalb sei die A1 durch Schleswig-Holstein „das Kernstück der Metropolverbindung Ruhrgebiet-Hamburg-Kopenhagen“.

Straßen und Schienenwege begreifen die beiden befreundeten norddeutschen Kammern als Nervenbahnen, die „Güter und Märkte, Technologien und Unternehmen, Menschen und Ideen“ verbinden. Damit seien sie „Motor der wirtschaftlichen Entwicklung“ in der Region, so die Kammern. Das „Scharnier für die Handelsströme von und in den Ostseeraum“ bildeten die Häfen von Hamburg und Lübeck.

Zudem würden sich nach dem Bau einer festen Querung des Fehmarnbelts „neue Pers­pektiven in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den skandinavischen Ländern ergeben“ und die wirtschaftlichen Gewichte in der ganzen EU „ein Stück nordwärts verschieben“. Daraus folgt für die Kammern, dass die A1 und auch die Schienenwege bis nach Fehmarn ausgebaut werden müssen, der Hamburger Verkehrsverbund soll für zusätzliche Pendlerströme bis nach Lübeck ausgedehnt werden.

Denn zwischen den beiden Hansestädten liegt der Landkreis Stormarn, der aufgrund hoher Wirtschaftsleistung und geringer Arbeitslosigkeit seit Jahren unter den Top Ten der wirtschaftlich stärksten Kreise Deutschlands rangiert. 30.000 Menschen pendeln täglich aus dieser Region zur Arbeit nach Hamburg und noch einmal fast genauso viele nach Lübeck. Umgekehrt pendeln fast 15.000 Hamburger und rund 17.000 Lübecker täglich zur Arbeit nach Stormarn.

Das alles zu vernetzen sei nicht nur eine Frage der länderübergreifenden Kooperation, so die beiden Kammern: „Es ist unser Beitrag zum Denken in Wirtschaftsräumen.“

In geradezu erfrischendem Gegensatz dazu stehen aktuelle Überlegungen einst klassisch-konservativer Ökonomen wie Thomas Straubhaar. „Der klassische Güterhandel mit standardisierten Massenprodukten ist ein Auslaufmodell“, behauptet der ehemalige Präsident des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts. „Es kann ökonomisch nicht nachhaltig sein, Standardgüter zentral herzustellen und sie um die halbe Welt zu transportieren“, stellte er voriges Jahr seine eigene bisherige Lehre infrage.

Die Globalisierung mit Schiffen und Häfen verliere an Relevanz, was Volkswirtschaftler seit mindestens 200 Jahren „gefeiert haben, ist jetzt völlig überholt“, so Straubhaar. Abhilfe weiß der Wissenschaftler indes nicht so recht: „Wir brauchen eine neue Theorie.“

Eben solch neuem Denken indes verweigern sich sowohl Hamburgs wie Lübecks Handelskammer. Schleswig-Holstein und vor allem der Raum zwischen Elbe und Fehmarnbelt müsse „ein Top-Standort werden, mit großer Attraktivität wegen seines unternehmerfreundlichen Klimas“, forderte die Lübecker Kammerpräses Friederike C. Kühn beim Neujahrsempfang Mitte Januar. Politik und Wirtschaft müsse es gelingen, „das Feuer für das Unternehmertum wieder zu entfachen“. Sven-Michael Veit

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