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Heimgesetz mit Mängeln

SOZIALES Interessenvertreter pflegebetroffener Menschen hoffen, dass die Sozialdeputation das neue Heimgesetz nicht ohne Änderungen beschließt

Betreuungs- und Wohnformen sind vielfältiger und damit auch komplexer geworden

Am morgigen Donnerstag wird die Sozialdeputation den Entwurf des novellierten bremischen Wohn- und Betreuungsgesetzes (BremWoBeG) diskutieren. Der Bremer Landesverband des Vereins „Bundesinteressenvertreter alter und pflegebetroffener Menschen“ (BIVA) hofft, dass er nicht „durchgewunken“ wird. Er fordert eine Überarbeitung des Entwurfs sowie die Befristung des Gesetzes.

Das 2010 erlassene Gesetz sollte eigentlich bereits Anfang 2016 ohne Änderungen entfristet werden, „aber glücklicherweise ist das nicht geschehen“, sagt Reinhard Leopold, BIVA-Regionalbeauftragter und Gründer der Bremer Angehörigen-Initiative „Heim-Mitwirkung“. In der Tat bestand Handlungsbedarf, denn vor allem die Betreuungs- und Wohnformen von Hilfe- und Pflegebedürftigen sind vielfältiger und damit auch komplexer geworden. Das geänderte BremWoBeG hat sich, nicht nur in diesem Punkt, den Veränderungen angepasst. „Das Gesetz hat insgesamt einen so hohen Überarbeitungsgrad erfahren, dass es unbedingt evaluiert werden muss“, so Leopold.

Das allerdings ist nicht vorgesehen. „Wahnsinn“, nennt Leopold das: „Man braucht doch erst einmal einen Probelauf, um zu schauen, ob all die Neuerungen überhaupt funktionieren.“

Neben der Befristung fordert der Verein schon länger, dass die kostenlose Beratung von auffällig gewordenen Pflegeanbietern durch die bei der Sozialbehörde angesiedelte Wohn- und Betreuungsaufsicht (WBA) ersatzlos gestrichen wird, aber: Auch das ist nicht vorgesehen. Im BreWoBeG wird weiterhin stehen : „Ist festgestellt worden, dass in einer unterstützenden Wohnform (…) ein Mangel droht oder vorliegt, so soll die zuständige Behörde zunächst den verantwortlichen Leistungsanbieter über die Möglichkeiten zur Abstellung des Mangels beraten.“

„Ein Heimgesetz“, sagt Leopold dazu, „sollte Verbraucher schützen und nicht die Betreiber der Pflegeeinrichtungen.“ Statt kostenloser Beratungen müssten Heime, in denen Pflegemängel herrschten, vielmehr schnelle und wirkungsvolle Sanktionen erwarten. Einrichtungsträger müssten daneben bei nachgewiesenen Mängeln dazu verpflichtet werden, auf eigene Kosten externe Unternehmen zu verpflichten, um die Mängel abzustellen, sagt Leopold.

Die Sozialbehörde begründet die Beibehaltung ihrer Beratung in einer Erklärung zur Gesetzesnovellierung so: „In der Beratung liegt die Chance, beim Leistungsanbieter eine Einsicht in den Mangel und eine sachliche Akzeptanz für die Verbesserungsmaßnahmen zu bewirken.“ Für Leopold ist diese „Chance“ nichts weiter als „eine kostenlose Qualitäts- und Management­beratung für Leistungsanbieter“.

Ebenfalls nicht berücksichtigt wurde die BIVA-Stellungnahme zur personellen Ausstattung einer Pflegeeinrichtung: In der zum BremWoBeG gehörenden Personalverordnung, die am Donnerstag ebenfalls beschlossen werden soll, heißt es, dass während der Nachtschicht in einer Pflegeeinrichtung mit bis zu 50 BewohnerInnen „mindestens eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter für Unterstützungsleistungen anwesend sein“ müsse.

Viel zu wenig, findet nicht nur der BIVA, sondern auch die Gewerkschaft Ver.di: Sie hat in ihrer Stellungnahme zur Gesetzesnovellierung darauf hingewiesen, dass mit nur einer Pflegefachkraft keine sichere Versorgung möglich sei. Und Leopold verweist auf die Studie „Die Nacht in deutschen Pflegeheimen“ der Uni Witten/Herdecke, die feststellt, dass mindestens zwei bis drei Pflegende für 50 BewohnerInnen während der Nacht unerlässlich seien. schn

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