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Koran-Suren auf den Schrank gekritzelt

Prozess Ein Geflüchteter soll in Heilbronn eine Rentnerin getötet haben. Aus religiösem Wahn oder aus Habgier? Der Angeklagte beteuert trotz erdrückender Beweise seine Unschuld

HEILBRONN taz | Nach eineinhalb Stunden Vernehmung, als der Angeklagte wieder aus dem Koran zitiert, wird der Kriminalbeamte unwirsch. „Ich will nicht wissen, was der liebe Gott sagt, sondern ob es etwas mit den Mord zu tun hat“, herrscht er den Beschuldigten an. Der Dolmetscher übersetzt. Doch Abubaker C. sagt nur: „Ich habe nichts getan“.

Es ist der 5. Verhandlungstag in einem aufsehenerregenden Prozess. Die Strafkammer des Heilbronner Amtsgerichts spielt eine zweieinhalbstündige Vernehmung der Kriminalpolizei vor. Das Setting des Videos ist skurril. Abubaker C. sitzt mit Handschellen und angezogenen Beinen auf einem rosafarbenen Sofa zwischen einem Übersetzer und dem Polizeibeamten. Der Raum wird sonst für Videobefragungen von Kindern genutzt. Der Fall passt bestens zu den schlimmsten Befürchtungen von Kritikern der Flüchtlingspolitik.

C. ist ohne Papiere in Deutschland eingereist, seine Herkunft und sein Name sind nicht komplett geklärt. Abubaker C. soll im Mai 2016 in ein Haus eines Rentnerehepaars in Bad Friedrichstal eingedrungen sein und die 70 Jahre alte Frau mit einem Telefonkabel im Schlaf erdrosselt haben. Am Schrank und auf Einrichtungsgegenständen fand man mit Filzstift gekritzelte Koran-Suren und auf Englisch der Satz: „It’s payback time“ – Zeit der Abrechnung.

Unter Tränen hat der Ehemann des Opfers bereits am ersten Verhandlungstag vor Gericht berichtet, wie er am nächsten Tag seine gefesselte Frau gefunden hat, ein Kreuz zwischen den Händen. Als Schnarcher hat er in seinem eigenen Schlafzimmer nichts von dem Überfall mitbekommen. Günther Ms. Frau war fest in der Kirche verwurzelt. Der Täter hat den christlichen Merkspruch auf einem Kalender mit dem gleichen roten Filzstift durchgestrichen. Wertsachen und das Handy des Ehepaars werden später bei Abu­bakr C. gefunden.

Fast alles spricht für C. als Täter. Die Ermittler fanden seine DNA-Spuren am Tatort. Zeugen haben ihn vor der Tat nahe dem Haus gesehen. C.s Handy war zur Tatzeit in der entsprechenden Funkzelle angemeldet Doch der leugnet: „Vielleicht will mir jemand etwas in die Schuhe schieben. Mein Gott ist auf meiner Seite.“ Er nennt Namen der tatsächlich Schuldigen und droht ihnen den Tod an. Das Handy und die Wertsachen will er in einer Tüte am Heilbronner Bahnhof gefunden haben. Polizeiakten weisen ihn als Kleinkriminellen aus.

„Mein Gott ist auf meiner Seite“

Abubaker C., Angeklagter

Obwohl der Täter klar zu sein scheint, sind viele Fragen offen. Ist er ein überzeugter Gotteskrieger? War es ein einfach ein Raubmord, den der Täter religiös verbrämen will? Oder handelte der Mann in diffusem religiösen Wahn und ist nicht voll schuldfähig? Diese Frage versucht das Gericht zu klären. Unklar ist aber auch, wie der Täter sein Opfer ausgewählt hat. Der Vorsitzende Richter Roland Kleinschroth warnt vor zu hohen Erwartungen an das Gericht: „Wir werden nicht alle Details zu der Tat klären können.“

Vieles spricht dafür, dass der Angeklagte seine Situation nicht voll erfasst. Schon in der Video-Befragung bietet er dem vernehmenden Polizeibeamten einen Gottesbeweis an, um seine Unschuld zu beweisen. Im Prozess schlägt er dem Vorsitzenden Richter Kleinschroth vor, die Rollen zu tauschen. Er beschreibt sich als fleißiger gebildeter Mann, der sich in Deutschland nichts habe zuschulden kommen lassen. Tatsächlich hatte er häufiger mit der Polizei zu tun. Ein psychisches Gutachten steht noch aus. Das Urteil soll Ende Februar gesprochen werden. Benno Stieber

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