: Tipps für Dicke von Dicken
Zuhören In Hamburg gibt es seit über 15 Jahren die Selbsthilfegruppe „Dicke Freunde“. Alle zwei Wochen treffen sich die Mitglieder, um mit ihrem Gewichtsproblem nicht allein zu sein
Abnehmen ist für die meisten übergewichtigen Menschen ohne Hilfe von anderen fast unmöglich. Zugleich ist in der Gesellschaft das Bild von Übergewichtigen immer noch voll von Vorwürfen. „Man wird komisch angeschaut, als sei man daran immer selber Schuld“, sagt Svenja Schwarz, „aber viele haben mit Krankheiten zu kämpfen.“ Schwarz leitet die Selbsthilfegruppe „Dicke Freunde“ in Hamburg, bei der sich Übergewichtige beim Abnehmen gegenseitig helfen. Denn allein schaffen es die Wenigsten. „Da fehlt es bei den meisten Übergewichtigen an der Motivation“, erklärt Schwarz.
Zwei Mal im Monat trifft sich die Gruppe. Meistens gibt es Vorträge zu speziellen Aspekten – mal kommt ein Arzt vorbei und klärt über chirurgische Eingriffe auf, mal berichten ehemals Betroffene von ihrem erfolgreichen Weg zum Gewichtsverlust. Zum nächsten Treffen etwa kommt eine Frau, die 70 Kilo abgenommen hat – „um zu zeigen, was möglich ist“, erklärt Schwarz. Vor allem aber geht es erst einmal ums Reden: Trost spenden, kleine Tipps geben, aufmuntern. Man kann konkrete Hilfestellungen für den Alltag, Ernährungstipps und Hinweise auf chirurgische Möglichkeiten wie etwa eine Magenverkleinerung weitergeben beziehungsweise von anderen Übergewichtigen bekommen.
Besonders wenn aus der eigenen Familie und dem Freundeskreis wenig Unterstützung bei den Gewichtsproblemen kommt oder gar Beziehungen daran zerbrechen und man völlig isoliert damit lebt, schaffen es die Wenigsten, wieder aus diesem auch psychischen Tief herauszukommen. „Wer sich in diesem einsamen Kreislauf befindet, braucht Hilfe “, so Schwarz. Bei den „Dicken Freunden“ findet man sie – von Menschen, die die Sorgen bestens kennen.
Viele der TeilnehmerInnen kommen zur Selbsthilfegruppe gewissermaßen als letzte Chance, bevor ein chirurgischer Eingriff nötig wird. „Es kommen aber auch leicht Übergewichtige, sowohl Männer als auch Frauen, da ist alles dabei“, sagt Schwarz. 15 bis 20 Menschen kommen zu den Treffen. So auch Brigitte Knoblich. Die Hamburgerin ist bereits seit 2009 dabei. Als sie nach diversen Diäten bei einem Arzt war, um sich über einen chirurgischen Eingriff informieren zu lassen, legte dieser ihr einen Besuch bei den „Dicken Freunden“ ans Herz.
„Man trifft auf Gleichgesinnte, die einen bei den Problemen, die man hat, begleiten“, sagt Knoblich. Mittlerweile kann sie viele Erfahrungen und Ratschläge an neu dazugekommene TeilnehmerInnen weitergeben. Etwa wenn es um chirurgische Eingriffe geht: „Da gibt es ganz viele Fragen, die auch die Ärzte nicht beantworten können, weil sie schließlich nicht selbst operiert wurden“, so Knoblich. Und auch nach einer Magenverkleinerung ging sie weiter zu den zweiwöchigen Treffen. „Denn danach gibt es ja auch viele Dinge zu beachten und da kann man von anderen lernen, aber auch eigene Erfahrungen weitergeben“, so Knoblich.
Denn es sind nicht nur die körperlichen Beschwerden, die für gesundheitliche Probleme sorgen. Bei der Selbsthilfegruppe wissen alle von diesen Problemen, haben sie schließlich selbst erlebt und können deshalb ihre Erfahrungen austauschen. „Wenn es nötig ist, sagen wir uns dann auch mal ganz klar die Meinung“, sagt Schwarz. Wenn es jemandem dagegen schlecht geht, versuche man darauf einzugehen und zu stützen. „Dann kommen auch mal ein paar Witze und wir liegen fast vor Lachen auf dem Boden.“ Das gehe nur, weil alle wissen, dass man sich in einem geschützten Raum befindet. Vertraulichkeit ist deshalb Grundvoraussetzung für eine Selbsthilfegruppe wie die „Dicken Freunde“.
Seit einigen Jahren hat sich ein Förderverein gegründet, um Geld für gemeinsame Sportkurse für alle Interessierten zu sammeln. Vor allem finden gemeinsame Wassersportkurse statt, die außerhalb der normalen Öffnungszeiten der Hallenbäder stattfinden. „Viele gingen nicht mehr zum Sport, weil sie das Gefühl hatten, wegen ihres Übergewichts schief angeschaut zu werden“, erklärt Schwarz. Diese Angst müsse man dort nicht haben. Auch einen gemeinsamen Kochkurs gibt es. „Eine gesunde Ernährung heißt ja nicht, dass man nur Verzicht üben muss. Es soll auch Spaß machen“, sagt Schwarz.
Und im Laufe der Zeit entstünden in der Gruppe auch Freundschaften, sagt Knoblich. „Mit manchen geht man dann auch außerhalb der Treffen mal einen Kaffee trinken.“
André Zuschlag
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