: Landraub jetzt ganz legal
ISRAEL Ohne staatliche Genehmigung errichtete Siedlerhäuser können rückwirkend legalisiert werden, auch wenn sie sich auf palästinensischem Privatgrund befinden
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Aus Jerusalem Susanne Knaul
Die Siedlerpartei Das jüdische Heim freut sich. Das in der Nacht zu Dienstag in der Knesset verabschiedete Reglementierungsgesetz garantiert, dass sich Bilder, wie sie letzte Woche aus Amona kamen, nicht wiederholen. 60 der 120 Abgeordneten stimmten dafür, wilde jüdische Siedlungen, die auf palästinensischen Privatgrundstücken errichtet wurden, jetzt rückwirkend zu legalisieren.
Für die Siedlung Amona, wo nach einem entsprechenden Urteil 42 Häuser geräumt wurden und nun abgerissen werden, kam dies zu spät. Bildungsminister Naftali Bennett, Parteichef von Das jüdische Heim, sprach von einem „historischen Prozess zur Normalisierung“ der Siedlungen.
Viele bezweifeln, ob das Reglementierungsgesetz von Dauer ist. „Wir werden zusammen mit Peace Now und dem Verband für Bürgerrechte gegen das Gesetz vor den obersten Gerichtshof ziehen“, kündigte Gilad Grossmann von der Organisation Jesch Din an. Sie leistete palästinensischen Grundseigentümern bisher, wie auch in Amona, Rechtshilfe.
Israels Oberstaatsanwalt Avichai Mendelblit räumt den drei Nichtregierungsorganisationen gute Chancen ein. Er glaubt nicht, dass das Gesetz vor Gericht bestehen kann und will die Regierung in dieser Sache auch nicht vertreten. „Israel kann keine Gesetze für das Westjordanland verabschieden, solange es nicht annektiert ist“, erklärt Grossmann. Mit dem Reglementierungsgesetz entschied die Knesset „erstmals“ über ein Gesetz für das besetzte Palästinensergebiet. Laut Friedensorganisation Peace Now stehen knapp 4.000 Häuser in 55 Siedlungen auf palästinensischem Privatland.
Das Reglementierungsgesetz fordert den Siedlern für die rückwirkende Legalisierung des Baulandes kaum mehr ab als den Nachweis dafür, dass sie ihr Haus „in gutem Glauben“ errichtet haben, nicht wissend also, dass es ein privates Grundstück sei. Das sei schon dann gegeben, wenn der Staat die wilden Siedlungen finanziell unterstützte, etwa durch den Bau von Straßen, Strom- oder Wasserleitungen. Die palästinensischen Grundbesitzer sollen nicht leer ausgehen, sondern könnten laut Gesetz zwischen einem Alternativgrundstück oder jährlicher Pacht wählen.
Palästinensersprecher
Regierungschef Benjamin Netanjahu befürwortete das Gesetz anfangs mit dem Argument, es müsse „ein für allemal“ eine Regelung geben für alle im Westjordanland lebenden Israelis. Doch hätte er es vorgezogen, damit bis zu seinem für Mitte Februar geplanten Treffen mit US-Präsident Donald Trump zu warten. Offenbar fürchtet er internationalen Protest. Selbst der konservative Likud-Abgeordnete Benni Begin sprach von einem „Landraub-Gesetz“ und verweigerte sein Votum dafür. 600.000 israelische Siedler leben im Westjordanland und in Ostjerusalem.
Israels Oppositionsparteien hatten sich darauf geeinigt, „bei diesem Spiel nicht mitzumachen“, und verzichteten auf ihre Redezeit im Parlament. Oppositionsführer Jitzchak Herzog (Das zionistische Lager) griff dann doch noch zum Mikro und warnte vor einem binationalen Staat und damit dem Ende eines jüdischen und demokratischen Staates. Die Palästinenserführung in Ramallah forderte die internationale Gemeinschaft zur sofortigen Reaktion auf. „Dies ist eine Eskalation, die zu weiterer Instabilität und Chaos führen wird“, warnte Nabil Abu Rudeineh, ein Sprecher von Präsident Mahmud Abbas.
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