: Aktionsplan für Bremen-Ost
Psychiatrie I Fixierungen, Sedierungen und mindestens zwei Suizide sorgen für eine erneute Diskussion um die Zustände im Klinikum Bremen-Ost. Nun reagiert die Senatorin mit mehr Personal und Transparenz
von Karolina Meyer-Schilf
Es kommt wieder Bewegung in die stagnierende Psychiatrie-Reform. Nach den schweren Vorwürfen über die Zustände in der Psychiatrie des Klinikums Bremen-Ost (taz berichtete), zeigte sich die Gesundheitssenatorin Quante-Brandt „betroffen“. Auf der gestrigen Sitzung der Gesundheitsdeputation stellten sich zudem Jens Reimer, Leiter des Zentrums für psychosoziale Gesundheit, und die Geno-Leiterin Jutta Dernedde der Diskussion.
Wie die Gesundheitssenatorin berichtete, liegt bereits seit dem 3. Februar das lang erwartete Konzept zur Neuordnung der Psychiatrie vor und wird derzeit in der Behörde ausgewertet. Auf der Deputationssitzung präsentierten Reimer und Dernedde zunächst einen Aktionsplan, der als Reaktion auf die jüngsten Vorwürfe nun kurzfristig greifen soll. „Dem Thema Zwang und Gewalt müssen wir uns ganz aktiv stellen“, sagte Reimer vor der Deputation.
Es sei meistens eine Prozesskette, die zu Fehlern führe, und keine individuelle Schuld, sagte Reimer. „Gewalt und Zwang in der Therapie“ hingen zumeist mit fehlendem Personal und einer mangelhaften baulichen Ausstattung der Stationen zusammen. Genau hier setzen die meisten der zehn Punkte des Aktionsplans an: Ab sofort sollen mehrere PsychologInnen zusätzlich angestellt werden, in den kommenden zwei bis drei Monaten sollen neue Pflegestellen geschaffen werden, außerdem soll es Fortbildungsangebote und Deeskalationstraining für die MitarbeiterInnen geben.
Zwangsmaßnahmen sollen nur noch nach Vier-Augen-Prinzip angeordnet und hinterher in einer Fallkonferenz besprochen werden.
Eva Quante-Brandt, Gesundheitssenatorin
Vor allem die Station 63 ist berüchtigt für ihre schlechten Bedingungen. Hier wurde die Pflegedienstleitung ausgetauscht und die Stationsleitung auf Oberarztebene verstärkt. Auch bauliche Maßnahmen sollen kurzfristig die Situation auf der Station verbessern: So soll es ein neues Farbkonzept und Änderungen in der Lichtgestaltung geben, außerdem wurde ein Ergotherapieraum eingerichtet. Zum kommenden Jahr ist außerdem geplant, dass die Station von ihrem jetzigen – baulich ungeeigneten – Gebäude umzieht in ein Außenhaus mit Garten, den die PatientInnen nutzen können. Bislang ist das in diesem Gebäude nicht möglich.
Verbessert werden soll ab sofort auch der Kommunikationsweg für Beschwerden: Die Senatorin kündigte an, dass PatientenfürsprecherInnen ab sofort ein direkter Draht in die Behörde offenstehe, um aktuelle Beschwerden sofort melden zu können. Für die Besuchskommission plant die Senatorin ebenfalls kürzere Wege: Die Fachaufsicht soll Beschwerden künftig direkt nachgehen. Bislang wurden die Ergebnisse der Kommission in Protokollen festgehalten, die nur alle zwei bis drei Jahre in einem Bericht an die Behörde zusammengefasst wurden. „Ich will eine transparente Psychiatrie“, sagte Quante-Brandt.
Über das weitere Vorgehen bei der Psychiatrie-Reform wird die Gesundheitsdeputation in ihren nächsten Sitzungen beraten, wenn auch das von Reimer vorgelegte Konzept vorliegt.
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