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„Flüchtlinge sind keine Belastung“

CDU Rottenburgs Bürgermeister, Stephan Neher, über Merkels preiswürdige Zuwanderungspolitik

„Eine Instanz mit christlicher Haltung“: Angela Merkel Foto: F.: Stefan Sauer/dpa

taz: Herr Neher, Sie überreichen am Mittwoch den Eugen- Bolz-Preis an Angela Merkel. Der erste Preisträger war 1997 Kohls Präsidentschaftskandidat Steffen Heitmann. Er ist 2015 wegen Merkels Flüchtlingspolitik aus der CDU ausgetreten. Sagt das mehr über die Veränderung der CDU oder über die Veränderung Ihres Preises aus?

Stephan Neher: Vielleicht sagt es etwas über die Veränderung von Steffen Heitmann aus. Er ist übrigens auch aus der Eugen-Bolz-Stiftung ausgetreten, als er die Einladung bekommen hat. Klar ist, dass Heitmann mit seinen heutigen Positionen den Preis sicher nicht mehr bekommen würde.

Welche Kanzlerin wird von Ihnen ausgezeichnet? Die, die 2015 die Grenzen für Flüchtlinge geöffnet hat, oder die, die zuletzt das Asylrecht verschärfte?

Die Kanzlerin steht für eine christliche Haltung in der Flüchtlingsfrage. Und sie ist weiterhin eine Instanz, die sagt, wir müssen Menschen, die in Not und Elend geraten sind, helfen und ihnen auch eine Einreise nach Europa ermöglichen. Aber ich teile auch die Auffassung, dass wir schon schauen müssen, wer tatsächlich Asylgründe hat. Wie ich das sehe, geht es jetzt gar nicht darum, dass Gesetze verschärft wurden, sondern dass sie nun konsequenter angewandt werden. Und das ist auch richtig.

Auch Abschiebungen nach Afghanistan?

Nein. Mag sein, dass es in Afghanistan irgendwo eine sichere Region gibt. Ich bin kein Außenexperte. Aber ich denke, wenn ein Land ein Krisenherd ist, dann müsste man auch großzügiger gegenüber Menschen aus diesem Land sein. Auch teile ich die Haltung meiner Partei, der CDU, beim Familiennachzug nicht. Einerseits beschweren wir uns, dass zu viele alleinstehende Männer da sind. Andererseits wollen wir die Familien nicht nachkommen lassen. Man muss wissen, dass fast 100 Prozent der Frauen auf der Flucht Gewalt erfahren. Da kann man schon verstehen, dass Familien junge Männer vorausschicken.

Sie haben 2015 gesagt: „Solange meine Mitarbeiter im Rathaus pünktlich ins Wochenende gehen können, haben wir keine Krise.“ Wie ist die Lage heute?

Das ist bis heute so. Die Flüchtlinge waren weder für die Bürger noch für die Verwaltung eine außergewöhnliche Belastung. Da die Flüchtlingszahlen so rückläufig sind, wird uns immer noch mehr ehrenamtliche Hilfe angeboten, als wir in Anspruch nehmen können. Dafür bin ich dankbar. Es ist eher so, dass bei uns die Beschwerden über Abschiebungen zunehmen. Vor allem dann, wenn das Menschen trifft, die bereits gut integriert sind.

Foto: picture alliance
Stephan Neher

ist Oberbürgermeister in Rottenburg (Ba-Wü). Seine Stadt vergibt den Eugen-Bolz-Preis im Gedenken an den Nazi-Widerstandskämpfer und Zentrums-Politiker Eugen Bolz.

Da könnte ein Einwanderungsgesetz helfen, das die CDU aber nicht auf den Weg bringt.

Ja, ich habe letztes Jahr im Wahlkampf dafür geworben. Man muss kein Mathematiker sein, um zu erkennen, dass wir mit den geringen Geburtenraten in Deutschland unseren Wohlstand nicht halten werden. Und ich habe noch niemanden gefunden, der sagt, ich verzichte lieber auf Wohlstand, und dafür bleiben wir unter uns. Stattdessen kenne ich als Bürgermeister gut die Klagen über fehlende qualifizierte Mitarbeiter. Klar ist, es werden nicht die 80-Jährigen sein, die bei Daimler die Autos zusammenschrauben.

InterviewBenno Stieber

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