Jetzt amtlich: Es geht schneller

Behördensumpf Das leidige Warten soll ein Ende haben. Rot-Rot-Grün will die Bürgerämter wieder in Schwung bringen.
Aber hat sich die Lage schon verbessert? Unsere Autorin hat es ausprobiert und sogar kurzfristig einen Termin bekommen

Diese Familie hat es auch geschafft: Sie ist endlich dran im Bürgeramt in Friedrichshain-Kreuzberg Foto: Bernd Friedel/imago

von Lisbeth Schröder

Es ist still im Bürgeramt Prenzlauer Berg an der Fröbelstraße. Sieben Wartende besetzen etwa die Hälfte der Stühle, die meisten schauen verträumt auf ihr Smartphone. Ein Bildschirm, der Wartenummern auflistet, hängt über ihnen. Punkt 15 Uhr fängt mit einem Pling die Nummer 84390 an zu blinken. Der Termin, den die taz erst am Mittag online buchte, um einen Reisepass zu beantragen.

So ein Termin kostete vor etwa einem Jahr noch viel Zeit und Nerven: Zeit, monatelang auf einen Termin zu warten, Nerven, dann Stunden auf dem Amt zu verbringen, und beides, um die vergeudete Zeit mit Überstunden zu kompensieren. Viele Bürger*innen litten unter dem Verwaltungschaos. Einige griffen gar auf einen Schwarzmarkt zurück, der mit kurzfristig freigeschalteten Terminen handelte.

Diese Zeiten haben sich aber nun geändert. „Wir durften lange keine neuen MitarbeiterInnen einstellen“, beklagt Jochen Biedermann (Grüne), der als Bezirksstadtrat in Neukölln unter anderem für die Bürgerämter zuständig ist. Es sei „unvorstellbar im Nachhinein, dass der Senat sich zum internationalen Gespött gemacht hat, die Situation jahrelang nicht in den Griff zu kriegen.“

Aber im Jahr 2016 wurden in den Neuköllner Bürgerämtern elf neue Stellen geschaffen. Biedermann erklärt dies mit einem „Aufweichen“ der vom Senat verordneten Höchstzahl. Die Folgen davon sind schon spürbar. „Wir stellen im Moment eine deutliche Entlastung fest“, erzählt Biedermann.

Christiane Heiß (Grüne), die in Tempelhof-Schöneberg für die Bürgerämter zuständig ist, stimmt ihm zu: „Ohne zusätzliches Personal und Umdenken der Senatsverwaltung wäre diese Entlastung nicht möglich gewesen.“

Jahrelanges Chaos, doch plötzlich, seit Dezember etwa, berichten Medien wie die Berliner Morgenpost oder der RBB von vielen freien Terminen. Rot-Rot-Grün ist seit Dezember im Amt – bekamen sie das hin, wofür Rot-Schwarz Jahre brauchte?

„Die Entlastung lässt sich auf gar keinen Fall auf die neue Regierung zurückführen“, sagt Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen, Eva Henkel. Der rot-schwarze Senat hätte seit 2014 nach und nach 117 neue Stellen geschaffen, die meisten davon aber erst ab Ende 2015. Die Besetzung der Stellen und die Einarbeitung der Mitarbeitenden nehmen jeweils mehrere Monate in Anspruch. Sprich: Die Folgen wurden erst in den letzten Monaten spürbar.

Die neue Regierung verspricht in ihrem Koalitionsvertrag, dass „… Bürger*innen innerhalb von 14 Tagen ihr Anliegen in einem Berliner Bürgeramt erledigen können müssen …“ Ein mehrtägiger Check des Online-Buchungsportals zeigt, dass dies jetzt schon möglich ist: Einen Personalausweis beispielsweise kann man am Morgen bei meistens über zehn Stellen beantragen.

„Wir schauen: Wie viele MitarbeiterInnen sind am jeweiligen Tag da, und wie lang ist die Schlange?“, erzählt Biedermann. Je nachdem seien mehr oder weniger Termine online oder per Telefon verfügbar. Bürgerämter in anderen Bezirken handeln ähnlich und schalten etliche Termine am Tagesanfang frei.

Wer aber einen Termin in den nächsten zwei Wochen sucht, bekommt meist nur einen in den Randbezirken – wenn überhaupt. Nach drei, vier Wochen sind aber vermehrt Termine an zentralen Orten verfügbar. Aber die Wartezeiten variieren von Bürgeramt zu Bürgeramt: Ein Termin im Rathaus Neukölln ist beispielsweise zum Zeitpunkt der Recherche erst in drei Monaten verfügbar, einer an der Wilmersdorfer Straße in einem Monat. Denn das neue Personal verteilt sich unterschiedlich auf die Bezirke. Manche Bezirke sorgen auch mit weiteren Maßnahmen für eine Verbesserung: Die Bürgerämter in Tempelhof-Schöneberg beispielsweise haben die durchschnittliche Bearbeitungszeit für einen Kunden von fünfzehn auf zehn Minuten gesenkt und können dadurch mehr Termine anbieten.

Bis zu 730 Angestellte arbeiten zurzeit bei 54 Bürgerämtern.Auch mobile Bürgerämter zählen dazu: Deren Mitarbeitende besuchen beispielsweise Kindergärten, Universitäten oder gar die Kunden zu Hause.

Der Senat schuf 31 neue Stellen Ende 2014, 36 Ende 2015 und zuletzt 50 im Sommer 2016, insgesamt also 117 neue Stellen in anderthalb Jahren.

Von den 50 zuletzt geschaffenen Stellen fielen 20 auf das „Flüchtlingsbürgeramt“ in Mitte, das im September 2016 eröffnet wurde und sich hauptsächlich um „Meldeangelegenheiten“ Geflüchteter kümmert. (lis)

Stadtrat von Steglitz-Zehlendorf, Michael Karnetzki nennt die „effektivere Terminausnutzung in Zusammenarbeit mit der Behördenrufnummer 115 und den anderen Bezirken“ als weiteren Grund für die Entlastung. Mehr kurzfristige Termine könnten nun in Steglitz-Zehlendorf online oder am Telefon gebucht werden.

Wie lange die Entlastung der Bürgerämter erhalten bleibt, ist aber fraglich: „Erst mal brauchen wir keine neuen MitarbeiterInnen in den Bürgerämtern“, sagt Jochen Biedermann über die Lage in Neukölln, warnt aber: „Wir müssen die Nachfrage abwarten.“ Es gebe saisonbedingte Schwankungen.

Auch Christiane Heiß erzählt, dass „in der Urlaubszeit deutlich mehr Anträge auf Pässe erfolgen als gegen Ende des Jahres.“ Biedermann rät deshalb dazu, wichtige Anliegen jetzt zu erledigen.

Zudem steigt die Zahl der Kunden: Im Dezember 2015 wurden in Neukölln 13.000 Bürger*innen bedient, im Dezember 2016 waren es 21.500 – also eine Steigerung von 65 Prozent. In Steglitz-Zehlendorf stieg die Zahl im selben Zeitraum jedoch nur von 15.000 auf 16.000 Besucher*innen.

Ob die Terminbuchung in Zukunft weiterhin in zwei Wochen möglich ist, hängt nun an der neuen Regierung.