Imre Withalm begibt sich in die Niederungen des Journalismus: Wasserrohrbruch: eine hyperlokale Recherche
Nach Prenzlauer Berg auf Recherche, das war der Auftrag. Zwei Wasserrohrbrüche in 24 Stunden. Ein Wohnhaus tagelang ohne Wasser und funktionierendes Klo. Chaos! Wie überlebt man so eine Situation? Das sollte ich herausfinden. Mittwochabend gehe ich dafür durchs Winterwonderland: Kinder auf Schlitten. Kombi neben Kombi neben Kombi. Ein Mann führt seinen Boxerhund Gassi. Er trägt einen Adidas-Pulli. Der Hund, nicht der Mann.
Vor dem betroffenen Haus erleuchtet ein Baulicht die Szenerie. Minibagger, Erdhaufen, Loch im Boden, Stemmgeräusche aus dem Keller. Dort greift gerade einer der Arbeiter mit der Hand in das braune Dreckwasser, um die kaputte Leitung zu erreichen. Es plätschert. Bald sollte alles erledigt sein. Dass einfach so, innerhalb eines Tages, zwei Rohre im gleichen Haus brechen, das passiere nur alle 20 Jahre, wurde mir gesagt. Nun bin ich also bei diesem historischen Ereignis vor Ort. Ein Arbeiter mit runder Brille und Fischerhut sieht mich prüfend an. Von welcher Zeitung ich denn sei. „taz,“ sage ich. „Die sint doch och gegen Videoüberwachung. Allet Täterschützer!“
Ich gehe die Treppe hinauf, um also herauszufinden, wie man ohne fließend Wasser überlebt. Ein Mann kommt mir entgegen. Ich deute auf meinen Schreibblock. Er signalisiert mir, nicht mit mir reden zu wollen. Im dritten Stock klingle ich. Eine junge Frau im Blumenkleid öffnet mir die Tür. Ihre Wimperntusche ist verschmiert. In der Hand hält sie eine aufgeweichte, altertümliche Mappe. Der Wasserrohrbruch hat die Sachen ihres Opas im Keller zerstört. Ich gebe mich als Journalist zu erkennen. Sie wischt sich die Tränen aus dem Gesicht: „Jetzt hast du deine Geschichte.“ Nein, nein, wie man ohne fließend Wasser aufs Klo geht, will ich wissen. Sie sieht mich irritiert an: „Wir schütten überall Flaschenwasser rein, was sonst?!“ Die Tür fällt ins Schloss. Ende der Recherche.
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