Stadtentwicklung in Bremen: Baugemeinschaften außen vor

Seit fast zehn Jahren hat Rot-Grün vor, alternative Wohnformen zu fördern. Die Verwaltung aber arbeitet dagegen und die Politik guckt weg

Nur wenige Baugemeinschaften können in Bremen ohne Probleme zur Tat schreiten. Foto: dpa

BREMEN taz | Wer gemeinsam mit anderen bauen will, hat es in Bremen schwer. In fast zehn Jahren sind nur fünf größere Neubauten entstanden, in denen auch diejenigen leben, die das Haus finanziert haben. Und das trotz der erklärten Absicht von SPD und Grünen, „neue Wohnformen“ zu fördern, wie es im aktuellen Koalitionsvertrag heißt. Schon dessen zwei Vorläufer hatten das Politik-Ziel festgeschrieben, „gemeinschaftliche Wohnformen“ zu unterstützen – unter anderem „durch die bevorzugte Bereitstellung von Grundstücken“.

Doch gerade daran scheitert es. Freie Bauflächen gibt es kaum, zum Zuge kommen in der Regel große Immobilienfirmen, die Baugemeinschaften dann die Bedingungen diktieren – wie beim ehemaligen Gelände des Umweltbetriebs Bremen an der Schwachhauser Heerstraße: Dieses war an einen Investor verkauft worden, mit der Auflage, dass ein Teilgrundstück an eine Baugemeinschaft gehen soll – für 1.000 Euro den Quadratmeter.

Das ist für Baugemeinschaften, in denen unterschiedlich finanzstarke Parteien zusammen kommen, zu teuer. Doch das größere Problem war: Das Grundstück sollte ausschließlich an eine Eigentümergemeinschaft gehen, die sich in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert hat. So stand es in der Ausschreibung im Oktober 2016.

„Damit waren wir raus“, sagt dazu Wolfgang Horstmann, ein 66-jähriger Rentner, der sich mit neun anderen Parteien für das Grundstück interessiert hatte. Um auch junge Familien ohne viel Eigenkapital ins Boot holen zu können, wollte die Gruppe eine Kommanditgesellschaft gründen – nach diesem Modell baut gerade eine Baugemeinschaft in Walle. Andere gründen GmbHs und mieten quasi von sich selbst. „Wir wollen gemeinsam in einer Solidargemeinschaft bauen“, sagt Horstmann, „nicht jeder für sich seine Eigentumswohnung.“

Obwohl klar war, dass seine Gruppe in Schwachhausen chancenlos sein würde, schrieb er Anfang November einen offenen Brief an den Bausenator und die Mitglieder der Baudeputation. „Es ärgert mich, wie mit dem Thema umgegangen wird“, sagt Horstmann, „dass so etwas wieder und wieder passiert.“ In dem Brief stellt er eine Reihe von Fragen, unter anderem, warum die Stadt das Grundstück nicht direkt an eine Baugemeinschaft verkauft hat – zu günstigeren Konditionen. Eine Antwort hat er nicht erhalten.

Jens Tittmann, Sprecher von Bausenator Joachim Lohse (Grüne), begründet den Verkauf der ganzen Fläche an einen Investor damit, dass dies für die Verwaltung einfacher sei. „Außerdem ist so sichergestellt, dass die Kosten für die Erschließung des Grundstücks bezahlt werden können.“ Theoretisch sei es möglich, dass eine Baugemeinschaft insolvent wird und die Kommune auf den Kosten sitzen bleibt.

Allerdings räumt er ein, dass das Risiko angesichts des Baubooms gering sei. Daher prüfe die Behörde, ob in Zukunft Grundstücke direkt an Baugemeinschaften verkauft werden können und die Stadt bei den Erschließungskosten in Vorleistung geht. Auch über beschleunigte Verfahren werde nachgedacht.

1.000 Euro pro Quadratmeter – das ist für solidarische Baugemeinschaften zu viel

Davon können die sieben Gruppen, die auf dem Dedesdorfer Platz in Walle bauen wollen, nur träumen. „Die Ausschreibung war für Herbst 2015 angekündigt“, sagt Mario Neumann von der Gruppe „Waller Wohnen“, die ein Mehrgenerationenhaus für acht bis zehn Parteien plant. Jetzt heiße es September 2017, so Neumann.

Der Einzug könnte frühestens anderthalb Jahre später sein, rechnete Lohses Koordinator für Baugemeinschaften InteressentInnen im Sommer 2015 vor. Das setzt voraus, dass sie nicht wie die Leute vom Huckelrieder Wohnprojekt Mosaik ein Jahr auf die Baugenehmigung warten müssen. „Wir würden uns schon freuen, wenn es jetzt dabei bleibt“, sagt Neumann von Waller Wohnen, der bald Vater von zwei kleinen Kindern sein wird und im Sommer 2019 umziehen möchte.

Ihr Grundstück werden sie wieder von einem Investor kaufen müssen, wie der Sprecher des Bausenators bestätigt. „Die Fläche wird in einem Stück verkauft.“ Dieses Mal solle auf bessere Konditionen für Baugemeinschaften geachtet werden. „Ich bin entschieden dafür, das direkt zu vergeben“, sagt dazu der baupolitische Sprecher der Grünen, Robert Bücking. Bremen müsse Baugemeinschaften intensiver fördern, sagt er.

Seit langem angekündigt ist, in der Überseestadt Grundstücke an Baugemeinschaften zu verkaufen. Die Ausschreibung verzögere sich, weil abgestimmt werde, ob dieser Plan weiter verfolgt werde, sagte am Montag eine Sprecherin der Wirtschaftsförderung Bremen.

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