DAS DETAIL
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Patti Smith wartet Foto: dpa

Was hängen bleibt

PAUSE Patti Smith vertrat bei der Nobelpreis-Verleihung den ausgezeichneten Bob Dylan

So ist am Ende doch alles schlüssig geworden. „Es tut mir leid, dass ich nicht persönlich bei euch sein kann, aber bitte wisst, dass ich auf jeden Fall im Geiste bei euch bin“, ließ Literaturnobelpreisträger Bob Dylan dem Galadinner-Publikum am Samstagabend in Stockholm mitteilen – ausgerechnet via US-Botschafterin. Alle Widersprüche seiner Person, seines Werkes und der Preisverleihung selbst einfach so stehen lassend.

Und dass Patti Smith einen HÄNGER hatte, als sie am Nachmittag Dylans Song „A Hard Rain’s a-Gonna Fall“ vortrug – hätte es irgendwie besser laufen können als mit dieser Pause, dem „I’m sorry“, einem abschließenden „I apologize. Sorry, I’m so nervous“? Nein, hätte es natürlich nicht.

Vor allem das gänzlich Unhektische an Patti Smiths Hänger-Performance ist das Schöne, das Dylaneske, das, tja, Goethische. Der nämlich hielt am 24. Februar 1784 eine Rede in Ilmenau, um die Wiederaufnahme des dortigen Bergbaus zu würdigen. Frei sprechend. Mittendrin stockte er plötzlich. Offenbar hatte Goethe einen Hänger.

Bemerkenswert ist, wie er damit umging: Ein Augenzeuge berichtet, dass Goethe die Zuhörer zehn Minuten lang in peinlicher Stille warten ließ, bis er den verlorenen Faden wiedergefunden hatte. Einem anderen Zeugen zufolge konnte von Peinlichkeit keine Rede sein: „Goethe blickte fest und ruhig in dem Kreise seiner Zuhörer umher, die durch die Macht seiner Persönlichkeit wie gebannt waren, so daß während der sehr langen, ja fast lächerlichen Pause jeder vollkommen ruhig blieb. Endlich schien er wieder Herr seines Gegenstandes geworden zu sein, er fuhr in seiner Rede fort und führte sie sehr geschickt ohne Anstoß bis zu Ende.“

Der Literaturwissenschaft Peter Matussek sieht in Goethes Umgang mit dem Hänger die Chance wirklichen Besinnens auf das Thema, das sich erst mit der Durchkreuzung der Publikumserwartung aufgetan habe. Anders gesagt: Was bleibt, stiften die Hänger. Ambros Waibel