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Bereit zur Musikberatung

Studioarbeit Frische Ohren für Pharrell Williams und Herbert Grönemeyer: Der Berliner Musikproduzent Tim Tautorat kann mit allen

Von Jens Uthoff

Er hat sie alle gehabt. Das wird man vielleicht eines Tages sagen können über diesen jungen Mann, der einen feinen schwarzen Anzug trägt, sich dar­über aufregt, dass man in den Hansa Tonstudios in Kreuzberg nun nirgendwo mehr rauchen darf, und der an seinem halbrunden Tisch mit großem Bildschirm und einem Reglerpult sitzt. Sie alle gehabt. Von Beruf ist der überlegt und mit leiser Stimme sprechende Mann Musikproduzent. Zusammengearbeitet hat er – aufgehorcht! – schon mit Pharrell Williams, mit Herbert Grönemeyer und den Eagles Of Death Metal.

Tim Tautorat, so sein Name, ist einer dieser Hintergrundwerker, ohne die im Pop wenig ginge. Der 31-Jährige mit den rötlich blonden Haaren, der Hornbrille in ähnlichem Farbton und dem Bartansatz, ist Diplom-Tonmeister. Seit sechs Jahren hat Tautorat an der berühmten Adresse in der Köthener Straße – wo auch David Bowie zu seiner Berlin-Zeit aufnahm – sein eigenes Tonstudio. Es sieht genauso aus, wie man sich ein solches vorstellt: Produzentenpult in der Mitte, etliche Gitarren stehen aufgereiht, hinter einer Scheibe befindet sich ein Nebenraum. Direkt unter Tautorats Studio liegt der berühmte Meistersaal.

Eine ungefähre Vorstellung hat man auch von der Arbeit eines Produzenten – aber wie interpretiert er selbst seine Rolle? „Ich verstehe mich als Berater der Bands. Als einen, den man sich dazuholt, damit die Aufnahme so gut wie möglich wird. Dabei kann es um technische Fragen gehen, aber auch darum, welche Songs schon gut funktionieren – und welche noch nicht so gut.“ Mit Rohmaterial in der Tasche kreuzen die Musiker bei ihm auf, dann wird zusammen an diesem gefeilt. Oft haben die Bands zuvor schon so lange über den Liedern gebrütet, dass ein Input von außen notwendig sei: „Den Stücken tut es gut“, so Tautorat, „wenn da noch mal jemand mit frischeren Ohren rangeht.“

Tautorat hat in Detmold studiert. Neben Berlin ist die ostwestfälische Stadt der zweite Standort in Deutschland, wo es den Studiengang Tonmeister gibt. Gehörbildung sei dabei von Beginn an ein elementarer Bestandteil gewesen. Hier trainiert man seinen Hörsinn auf feinste musikalische Nuancen. „Man muss als Produzent ja erst mal feststellen können, welche Takes gut waren und welche nicht. Bei einer Schlagzeug- oder Gesangsaufnahme mag das noch einfach sein, bei einer Orchesteraufnahme aber ist das komplex. Da rutscht selbst dem Dirigenten mal was durch.“

Mit klassischer Musik ist Tautorat groß geworden. Im emsländischen Lingen aufgewachsen, begann er im Alter von fünf Jahren Geige zu spielen. Zwischen ihm und der klassischen Musik funkte es aber erst richtig, als er im Orchester spielte. Er habe festgestellt, „dass es wirklich soziale Relevanz hat, was man da macht“. Zum einen entstand dort für ihn ein neuer Freundeskreis, zum anderen machte dieses Zusammenspielen eben irgendetwas schwer zu Bezifferndes mit einem selbst. Magie, würden manche sagen.

Dass er selbst zum Produzenten wurde, hatte aber eher mit den Punk- und Indie-Bands zu tun, in denen er parallel spielte. Dank Sequencer-Software wurde es zu der Zeit immer einfacher, seine Musik selbst zu produzieren. „Und weil keine Kohle für die Produktion da war, dachte ich bei meiner zweiten Band damals: Machen wir das doch selber.“

Tautorat stellte zweierlei fest: Er brauchte immer wieder Hilfe von Leuten, die dies professionell machen. Und: Seine eigene Musik zu produzieren ist nicht unbedingt gut – denn dann findet man immer noch ein Härchen in der Suppe.

Damals, etwa Mitte der nuller Jahre, überlegte der Musikliebhaber gerade, was er mit seinem Leben anstellen sollte. Geiger zu werden stand nicht zur Debatte, die Konkurrenz riesig. Also ging er an die Hochschule für Musik nach Detmold. Berufsziel: Tonmeister. Geige konnte er im Studium weiterspielen, zudem bekam er eine fundierte musikalische und musiktechnische Ausbildung, von Partiturspiel über Musiktheorie bis zur Elektrotechnik.

Nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Hongkong machte Tautorat sich 2009 selbstständig und zog nach Berlin. Er produzierte bekannte deutsche Indie- und Punk-Acts wie Turbostaat und Olli Schulz, machte nebenher seinen Abschluss. Er sah aber die Gefahr, dass er nur noch für Musik aus diesen Genres gebucht werde – eigentlich wollte er doch unterschiedliche Sounds, unterschiedliche Arbeitsweisen kennenlernen. Fortan arbeitete er nicht nur als Produzent, sondern nahm auch Jobs als Toningenieur an.

Der Unterschied? „Der Produzent ist für alles Musikalische zuständig, während der Toningenieur sich um den Klang kümmert und möglichst wenig ins Musikalische einmischt.“ Nun kamen auch die größeren Künstler zu ihm, meist auf Empfehlung von Kollegen: „Natürlich ruft Pharrell nicht bei mir an und sagt: ‚Hey, ich bin gerade in Berlin und will gerne mit dir zusammenarbeiten.‘ Nein, der bucht zum Beispiel ein Studio, und das Studio empfiehlt mich als Toningenieur.“

Mit Pharrell Williams arbeitete Tautorat an einem Song, der noch nicht veröffentlicht ist – beliebtes Prinzip bei vielen Musikern ist es, möglichst viel aufzunehmen und das Material erst dann zu evaluieren, wenn eine Albumveröffentlichung ansteht. Mit Grönemeyer arbeitete Tautorat an dem Soundtrack zu „A Most Wanted Man“, dem Film von Anton Corbijn aus dem Jahr 2014. Starallüren habe er während der Aufnahmen eigentlich nie erlebt: „Je berühmter die Leute sind, desto entspannter sind sie meistens auch.“

Studierte Ohren im Studio

Was ein Musikproduzent wie Tim Tautorat alles so macht? Er übernimmt bei der Aufnahme eines Tonträgers in der Regel die künstlerische Leitung des Projekts. Er plant das Budget für die Aufnahme und bespricht mit Label und Künstler, wie das Album am Ende klingen soll. Er unterstützt die Künstler bei den Arrangements und der Ausarbeitung der Stücke, organisiert und begleitet die Aufnahmesessions, berät die Künstler in technischen und kompositorischen Fragen.

Für die klangliche Nachbearbeitung der Aufnahmen und das Mischen ist dann in der Regel der Toningenieur zuständig, zum Teil übernimmt aber auch der Produzent diese Aufgabe.

Um Musikproduzent zu werden, kann man den Studiengang Tonmeister belegen, der einen für den Job des Produzenten befähigt. Auch den Beruf des ­Toningenieurs kann man in einem Studium erlernen. (jut)

Das Faszinierendste an seiner Arbeit sei aber nicht die Kollaboration mit den Stars, eher schon, was in der Studiosituation entstehe. „Wenn eine Band ins Studio kommt, dann kennen die Musiker sich untereinander in der Regel schon sehr lange, mich aber noch gar nicht. Die Zusammenarbeit macht aber dann etwas mit der sozialen Verbindung, man fühlt sich plötzlich unglaublich eng, macht die gleichen blöden Gags und fängt an, seine eigene Lagerkollersprache zu sprechen.“

Wie lang eine Produktion durchschnittlich dauert, ist schwer zu sagen, so Tautorat. Mal passiere alles en bloc in wenigen Tagen, mal ziehe es sich über mehrere Arbeitsphasen hin. Entsprechend unterschiedlich sind die Arbeitszeiten des Jungproduzenten. In einer akuten Produktionsphase seien schon mal hundert Stunden pro Woche drin. „Wenn man abends im Studio sitzt und an der Umsetzung einer Idee arbeitet, mitten im kreativen Prozess ist, kann man ja nicht sagen: ‚So, es ist 20 Uhr, ich mach jetzt Feierabend.‘“ Dafür habe er eben auch Phasen, in denen er nur drei Tage pro Woche arbeite. Reich werden könne man damit trotzdem nicht, sagt er. Für eine Mietwohnung in Kreuzberg aber reiche es.

Sich die Offenheit für neue Klänge zu bewahren sei die vielleicht größte Herausforderung. „Wenn ich nach einem 15- oder 16-Stunden-Tag nach Hause fahre“, sagt Tautorat, „dann höre ich mir dort nicht noch Musik an, sondern dann will ich nur noch schlafen.“

Gibt es Vorbilder unter den bekannten Musikproduzenten für ihn? Nicht wirklich. Niemand habe ausschließlich gute Sachen gemacht, so sei nun mal das Geschäft. „Selbst Nigel Godrich hat wohl schon mal ein schlechtes Album gemacht“, erklärt er in Anspielung an den etwa durch seine Arbeit mit der Band Radiohead bekannten britischen Produzenten.

Tautorat ist zuversichtlich, dass das bei ihm in nächster Zeit nicht passiert. Dafür habe er viel zu viel spannende Projekte in Aussicht. Zuletzt hat er mit der Kölner Band Neufundland und der norwegischen Künstlerin Debrah Scarlett gearbeitet, als Nächstes steht das Debüt des hochgehandelten Züricher Songwriters Faber an. Die frischen Ohren, Tim Tautorat wird sie auch 2017 brauchen können.

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