Senat prüft zwei Varianten für Fernwärme: Wärmewende mit Fallstricken

Hamburgs Umweltsenator lässt Szenarien prüfen – ohne das Kohlekraftwerk Moorburg. Sein politisches Schicksal hängt davon ab, ob ihm die Klimaschützer glauben.

Soll zumindest keine Fernwärme an Haushalte liefern: Kohlekraftwerk Moorburg, hier mit einem Block in Betrieb. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Die Fernwärme für die Hamburger Haushalte könnte in Zukunft vor allem aus klimafreundlichen Quellen südlich der Elbe kommen. Dafür müsste aber, wie schon einmal geplant, eine Fernwärmeleitung unter der Elbe gebaut werden. Im Gegensatz zu den früheren Planungen soll diese aber keine Wärme aus dem Kohlekraftwerk Moorburg transportieren, verspricht jedenfalls Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). Ob ihm die Klimaschützer das abkaufen, dürfte über sein politisches Schicksal entscheiden.

Wie der Senator am Dienstag mitteilte, hat die Gesellschafterversammlung von Vattenfall Wärme Hamburg (VWH) sechs Millionen Euro für die Planung von zwei Szenarien freigegeben. Im Nordszenario käme die Hälfte der Wärme in Spitzenzeiten aus einem Gasheizwerk am Haferweg in Altona-Nord, im Südszenario der Großteil aus Abwärme und erneuerbaren Quellen im Hafen.

Zu den Gesellschaftern von VWH gehört mit einem Anteil von 25,1 Prozent neben Vattenfall die Stadt. 2019 wird die Stadt das Vattenfall-Fernwärmenetz komplett übernehmen und damit den Volksentscheid zum Rückkauf der Netze für Strom, Gas und Wärme von 2013 umsetzen. Dieser sieht eine „sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien“ vor.

Kerstan bevorzugt unter Verweis auf das diesjährige Klimaschutzabkommen von Paris das Südszenario: „Wir sind der Überzeugung, dass der Ersatz von Kohle durch Gas zu kurz springt“, sagte er. Deshalb wolle der Senat gleich in großem Stil in erneuerbare Energie einsteigen und deren Potenzial liege nun mal im Süden. „Das bedeutet auch, dass wir neue Wege gehen müssen“, sagte Kerstan. Was unter technischen, regulatorischen und ökonomischen Gesichtspunkten machbar ist, soll die jetzt beschlossene Alternativenplanung erweisen.

Zu beiden Szenarien gehören ein Zentrum für Ressourcen und Energie (ZRE) der Stadtreinigung im Stellinger Moor und ein Strohheizwerk.

Im Nordszenario käme der Rest der Wärme aus einer Elbe-Wärmepumpe in Wedel und fast die Hälfte aus einem Gasheizwerk im Haferweg. Der Senat schätzt den Anteil erneuerbarer Energie auf 55 Prozent.

Im Südszenario käme die übrige Wärme aus der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm (MVR), aus einer Wärmepumpe am Klärwerk Dradenau, aus der Abwärme des Aluminium- und des Stahlwerks, aus Solarthermie auf einem Spülfeld und Wärme aus Windstrom.

Der Clou wäre ein riesiger Wärmespeicher im Grundwasser, der überschüssige Wärme aus dem Sommer konservieren würde.

Die Grünen waren schon zu Zeiten des schwarz-grünen Senats angetreten, eine dezentrale Fernwärmeversorgung aus erneuerbaren Energien aufzubauen und das klimaschädliche Steinkohlekraftwerk Moorburg, das Fernwärme auskoppeln kann, außen vor zu halten. Die Partei unterstützte den Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze mit dem Argument, eine umweltfreundliche Fernwärmeversorgung aus kleinen dezentralen Anlagen in Bürgerhand schaffen zu wollen.

Das Südszenario hat aus Sicht des Hamburger Energietischs, der die Umsetzung des Volksentscheids kritisch begleitet, eine doppelte Schwäche: Zum einen sieht es vor, Wärme aus der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm statt zu den Ölwerken Schindler in die Stadt zu leiten. Die Ölwerke bekämen ihre Fernwärme dann aus Moorburg. Zum anderen ermögliche es netztechnisch eine Durchleitung der Fernwärme aus Moorburg in die Stadt.

Kerstan versicherte: „Das Kraftwerk Moorburg spielt in unseren Szenarien keine Rolle und war auch kein Gegenstand von Diskussionen oder Beschlüssen im Aufsichtsrat.“ „Wenn es einen neuen Senat gibt, ist das nicht das Papier wert, auf dem es gedruckt worden ist“, sagte Gilbert Siegler vom Energietisch. Seien die erneuerbaren Anlagen erst mal gebaut, werde auch ein CDU-FDP Senat diese nicht abreißen, nur damit Vattenfall seine Wärme loswerde, hielt Kerstan dagegen.

Der Umweltverband BUND, der den Volksentscheid unterstützte, sieht drei Möglichkeiten, Moorburg auszuschließen: das Kraftwerk nicht mit der Leitung in die Stadt zu verbinden; langfristige Lieferverträge für erneuerbare Wärme zu schließen oder ein Wärmegesetz, das Kohle in der Fernwärmeerzeugung verbietet.

„Wenn die Option Moorburg nicht ausgeschlossen werden kann, ist der Protest programmiert“, warnte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Um die Szenarien bewerten zu können, müsse der Senat jetzt seine Gutachten veröffentlichen und eine genaue CO2-Bilanz vorlegen.

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