piwik no script img

PortraitDie rechte Hand

Ein neuer Tag, eine neue Personalie beim HSV: Karl Gernandt, der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Profi­sparte des Hamburger Sportvereins ist am Dienstag zurückgetreten. „Ich kann und werde nicht die Hauptverantwortung für so ein Verhalten tragen“, sagte er und meinte damit, dass mal wieder etwas zu früh durchgesickert ist. Dieses Mal der Rausschmiss des Vorstandsvorsitzenden Didi Beiersdorfer und das Bekanntwerden seines Nachfolgers Heribert Bruchhagen.

„Ich bin entsetzt, mit welchen Kräften im Verein und im Aufsichtsrat die sportliche und langfristige Weiterentwicklung riskiert wird“, sagte Gernandt, der die rechte Hand im Verein des Großinvestors Klaus Michael Kühne ist. „Wenn persönliche Motive über professionelles Verhalten gestellt werden, macht dies nachhaltige Führungsarbeit unmöglich.“

Erstaunlich ist, dass der 56-Jährige weiterhin als Aufsichtsratmitglied mitmischen will. Nur die Verantwortung tragen soll lieber jemand anderes. Richtig absurd sind seine Aussagen jedoch, wenn man sich vor Augen führt, dass nicht zuletzt Kühnes Einflussnahme den sportlichen Erfolg nachhaltig gefährdet – etwa wenn er mittels vieler Millionen in Zusammenarbeit mit Ex-Vorstandsvorsitz Beiersdorfer die Offensive verstärkt, obwohl Ex-Trainer Bruno Labbadia vor der Saison mehr Defensive gefordert hatte.

Wer war noch die rechte Hand von HSV-Sugardaddy Kühne? Ach ja: Karl Gernandt. Allein, anführen will er den Aufsichtsrat nicht mehr. Dabei müsste er sich da auskennen: Gernandt ist Chefstratege und designierter Erbe des Bremer Logistikunternehmens Kühne und Nagel. Zuvor war er Unternehmensberater für strategische Planung. Noch davor leitete der Betriebswirt das Deutschlandgeschäft des Schweizer Zementkonzerns Holcim. Industrieverbände hat er auch schon geführt.

Alles ein Kinderspiel im Vergleich zum Aufsichtsrat des Hamburger SV. Dabei sollte eigentlich alles anders werden mit Karl Gernandt. Er war das Gesicht von „HSV plus – Aufstellen für Europa“, dem Propaganda-Namen der Ausgliederung der Profiabteilung des Vereins. 2014 in der Mitgliederversammlung beschlossen, sollte mit der „Professionalisierung“ vor allem Investoren Tür und Tor geöffnet werden. Nur blöd, dass hauptsächlich einer kam: Klaus Michael Kühne. Noch blöder, dass der danach stets ins tägliche Geschäft reinredete und nachhaltige Führungsarbeit unmöglich machte. gjo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen